Das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt.
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Was die EZB-Zinswende bedeutet Sparen wird schwieriger, Bauen bleibt teuer

Stand: 06.06.2024 16:22 Uhr

Von einigen ersehnt, von anderen befürchtet: Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen abgesenkt. Was das für Sparer, Häuslebauer, Urlauber und die Konjunktur bedeutet

Von Stefan Wolff, ARD-Finanzredaktion

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Schlüsselzins von 4,5 Prozent auf 4,25 Prozent gesenkt. Für Sparer und Kreditnehmer hat sich schon im Vorfeld einiges geändert, wenn auch die Kreditzinsen langsamer gesunken sind als die Guthabenzinsen. Am schnellsten haben sich die Konditionen für Tages- und Festgeld angepasst.

Das Vergleichsportal Verivox rechnet vor, dass die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote im Mai den zweiten Monat in Folge auf 1,72 Prozent gesunken sind. "Die Tagesgeldzinsen haben ihren Zenit überschritten", sagt Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier. Sparerinnen und Sparer müssten sich darauf einstellen, "dass auch die Tagesgeldzinsen noch deutlicher als bisher sinken werden".

Das sieht Max Herbst von der Finanzberatung FMH ähnlich. Viele Banken hätten die gestiegenen Zinsen an ihre Kunden weitergereicht. "Es besteht zwar nur bei ganz wenigen Banken mit Top-Zinsen die Veranlassung, die Senkung weiterzugeben", sagt Herbst. "Aber dies werden auch sehr viele andere Banken nutzen und ihre geringen Zinsangebote im Anlagebereich weiter senken."

Festgeldangebote weniger lukrativ

Wer Geld für einen längeren Zeitraum anlegen möchte, bekam bei vielen Geldhäusern schon vor dem Zinsschritt nicht mehr so hohe Zinsen wie noch vor ein paar Monaten. Brachten bundesweit verfügbare Festgelder mit einem Jahr Laufzeit im Dezember vergangenen Jahres nach Angaben von Verivox noch durchschnittlich 3,34 Prozent Zinsen, so waren es aktuell noch 2,98 Prozent.

Trotz der gesunkenen Inflation bleibt davon in realer Kaufkraft wenig übrig. Hier hatten Banken die Zinssenkung früher "eingepreist", da bei Festgeldanlagen die Kunden ihr Geld für einen längeren Zeitraum parken.

Auch bei Ratenkrediten rechnen Experten mit sinkenden Zinsen. "Ratenkredite werden sich im Laufe der nächsten Wochen abschwächen - aber nicht sofort", sagt Finanzberater Herbst. "Sinken die Anlagezinsen, sinken auch die Konsumentenkredite, wenn die Banken fair arbeiten, da der Einkauf des Finanzierungsgeldes billiger wird."

FMH zufolge sind die Konditionen für Konsumenten-Darlehen mit 36 Monaten Laufzeit schon jetzt tendenziell rückläufig, liegen aber mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 7,49 Prozent in etwa auf dem Niveau des Vormonats.

Weiter Flaute am Bau

Die Bauzinsen sind in den vergangenen Wochen trotz der Aussicht auf den sinkenden EZB-Leitzins wieder gestiegen. Im Juni lag der durchschnittliche Zinssatz bei einer Sollzinsbindung von zehn Jahren bei 3,72 Prozent, so die Online-Plattform Statista. Zu Jahresbeginn waren es nur 3,42 Prozent. "Wer wissen möchte, wie sich die Bauzinsen entwickeln, sollte nicht auf den Leitzins schauen, sondern auf die Inflationsrate", so Finanzberater Herbst.

Die ist zuletzt in der Euro-Zone wieder gestiegen, und zwar auf 2,6 Prozent. Eine Folge: Investoren verlangen mehr Geld, wenn sie die in Europa maßgebliche Bundesanleihe kaufen sollen. "Steigt die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, weil Investoren höhere Zinsen fordern, steigen auch die Pfandbriefrenditen - und damit am Ende auch die Bauzinsen", erklärt Herbst.

Auch die krisengeplagte Bauindustrie setzt in die Zinssenkung wenig Hoffnung. Zwar verbilligen sich auf der einen Seite die Baukredite, die Teuerung blieb aber hoch (im Mai lag die Inflationsrate in Deutschland bei 2,4 Prozent). Die stark gestiegenen Materialkosten bleiben also hoch. Die Bau-Unternehmen klagen über fehlende Neuaufträge und Stornierungen bereits geplanter Projekte. 2022 und 2023 wurden jeweils nur rund 295.000 Wohnungen fertiggestellt. Eigentlich hatte sich die Ampel-Regierung 400. 000 Wohnungen jährlich vorgenommen. Diese Entwicklung gilt prinzipiell für die gesamte Industrie. Langfristig aber können niedrigere Kreditzinsen der Wirtschaft auf die Sprünge helfen.

Die Börsen boomen

Die Börsen haben bereits im Vorfeld kräftig von der erwarteten Zinswende profitiert. Der Deutsche Aktienindex (DAX) ist seit Jahresbeginn um knapp zwölf Prozent gestiegen. Niedrigere Zinsen sind meist gut für die Aktienkurse. Zum einen werden die Firmen bei Kreditkosten entlastet, was deren Profitabilität tendenziell steigert.

Zum anderen werden Zinspapiere wie Anleihen oder Festgeld unattraktiver, weil sie weniger abwerfen - Aktien wiederum werden dadurch beliebter. Allerdings sieht die Finanzgemeinde das weitere Kurspotenzial begrenzt. "Die Börsen haben einen ersten Zinsschritt im Juni schon vor Monaten eingepreist", erklärt Thomas Altmann von der Investmentboutique QC Partners.

Finanzminister hoffen auf Entlastung

Entlastung erhoffen sich vor allem die Finanzminister im Euroraum, da auch Staatsschulden nach einer Zinssenkung günstiger zu finanzieren sind. Aus diesem Grund hatten vor allem die südeuropäischen Euroländer einen solchen Schritt gefordert, während aus der Bundesbank Widerworte zu hören waren. Griechenland war Ende 2023 mit 162 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung verschuldet, Italien mit 137 Prozent. In Deutschland lag die Schuldenquote bei knapp 64 Prozent und damit unter dem EU-Schnitt von 82 Prozent.

Bundesfinanzminster Christian Lindner erteilte Forderungen nach einer lockereren Finanzpolitik prompt eine Absage. Eine solche würde gegen Zinssenkungen arbeiten und dem Kampf gegen Inflation entgegenwirken.

Auf den Ausblick kommt es an

Inwieweit die etwas lockerere Geldpolitik in der Zukunft auf die Zinsmärkte wirken wird, hängt maßgeblich von der weiteren Entwicklung ab. Ursprünglich hatte die Finanzwelt mit sechs bis sieben Zinsschritten nach unten gerechnet, inzwischen ist man mit Blick auf die EZB deutlich zurückhaltender. Vor allem, da die Inflationsrate im Euroraum zuletzt wieder leicht gestiegen ist.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer nennt den Zinsschritt gar einen Fehler und verweist auf die anhaltend hohen Preise. "Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel steigen die Verbraucherpreise seit Jahresanfang wieder stärker", so Krämer. "Und zwar mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate, die mit 3,5 Prozent deutlich über dem Inflationsziel der EZB liegt".

Auch ein Wiedererstarken von Europas Wirtschaft könnte den Zinsplänen der EZB einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn es gut läuft, sinkt die Gefahr, dass hohe Zinsen die Konjunktur abwürgen könnten. Lediglich die Finanzwirtschaft könnte - wenn auch nur zögerlich - von sinkenden Zinsen profitieren. "Nur ein langer Lockerungszyklus über die nächsten 18 Monate kann zu einer Erholung der Kreditvergabe beitragen und die Krediteinnahmen der Banken stützen", erklärt Filippo Alloatti vom Investmentmanager Federated Hermes. Dann allerdings läge der wichtigste Leitzins der EZB zwischen 3,25 und 3,5 Prozent, was im Augenblick kaum jemand für möglich hält.

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