Streikkundgebung von Verdi und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG in Leipzig (Sachsen).

Bundesweiter Arbeitskampf Millionen Menschen vom Warnstreik betroffen

Stand: 27.03.2023 13:53 Uhr

Es ist einer der größten Warnstreiks der vergangenen Jahre: Bundesweit stehen Züge, Flugzeuge oder Busse still. Ein Verkehrschaos blieb bislang aber aus. Die Gewerkschaften verteidigen den Arbeitskampf und warnen vor weiteren Ausfällen.

Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Seit Mitternacht läuft ein großer Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und ver.dis. In dem 24-stündigen Arbeitskampf sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie weite Teile des Güterverkehrs betroffen. An Bahnhöfen als auch betroffenen Flughäfen blieb es weitgehend leer.

An dem Großstreik im Verkehrsbereich beteiligten sich nach Angaben der EVG bis zum Vormittag bundesweit Gewerkschaftsmitglieder an mehr als 800 Standorten. Der Fernverkehr sei "vollständig zum Erliegen gekommen", teilte die EVG in Frankfurt am Main mit. Auch der Regionalverkehr auf der Schiene und der Busverkehr seien massiv beeinträchtigt. In mehreren Bundesländern wird der öffentliche Nahverkehr bestreikt.

380.000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben. Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen.

Lage auf den Straßen bislang moderat

Größere Staus im Straßenverkehr über die üblichen Behinderungen im Berufsverkehr hinaus wurden am Morgen nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Teils war von stockendem Verkehr die Rede, aber ohne größere Einschränkungen in Folge des Großstreiks. Viele Pendler seien wohl im Homeoffice geblieben, hieß es.

Rund um die Ballungsräume stocke der Verkehr zwar, "einen Kollaps oder ein Riesenchaos sehen wir aber nicht", sagte auch eine Sprecherin des ADAC. Die frühe Ankündigung habe womöglich dafür gesorgt, dass viele Menschen sich auf den Warnstreik eingestellt hätten.

EVG kritisiert Lohnunterschiede

Im Bahnsektor beteiligten sich laut EVG mehr als 30.000 Beschäftigte an 350 Standorten. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert nannte die Aktionen notwendig und verhältnismäßig. "Es geht jetzt darum, dass diese Branche nicht abgehängt werden darf von der allgemeinen Lohnentwicklung", sagte er in Potsdam. In der "Augsburger Allgemeinen" wies Burkert Vorwürfe der Arbeitgeberseite zurück, der Großstreik mitten in den Tarifverhandlungen sei unverhältnismäßig.

Er habe Verständnis für die Bahnfahrer, die über die ausfallenden Züge frustriert sind. Die Beschäftigten im Verkehrsbereich seien aber auf deutliche Lohnerhöhungen angewiesen. Die EVG fordere einen Sockelbetrag von mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent. Daran sei nichts unverhältnismäßig. Weitere Warnstreiks sind laut dem EVG-Chef möglich, zu Ostern wird es laut EVG aber keine geben.

Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, schloss sich der EVG-Warnung vor einer Ausweitung der Arbeitskämpfe an. "Entweder wir hauen den Knoten durch und finden eine Einigung - oder wir stehen vor einer weiteren Eskalations- und Streikwelle", sagte er.

"Es ist einfach Druck auf dem Kessel"

Auch ver.di-Chef Frank Werneke verteidigte den Großstreik. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bis hin in die mittleren Einkommensgruppen empfänden vor allem die enormen Preissteigerungen für Strom, Gas und Lebensmittel als Belastung. "Alle, wirklich alle Mitglieder, die wir heute zum Arbeitskampf aufgerufen haben, beteiligen sich an diesem Streik", so Werneke zum Start der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam.

"Es ist einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind." Die Beschäftigten fänden das bisherige Angebot der Arbeitgeber inakzeptabel. Werneke sagte, ver.di wolle in der bis Mittwoch angesetzten Verhandlungsrunde ein Ergebnis erzielen.

Vor der dritten Tarifrunde
Ver.di und Beamtenbund dbb fordern für die 2,5 Millionen Beschäftigten der Kommunen und des Bundes 10,5 Prozent mehr Einkommen über 12 Monate, mindestens 500 Euro mehr. Die Arbeitgeber wollen keinen Mindestbetrag - und bieten 5,0 Prozent mehr Lohn über 27 Monate.

Arbeitgeber kritisieren Ausmaß der Warnstreiks

Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, kritisierte den Ausstand. "Wir haben uns im vergangenen Jahr schon darauf verständigt, in drei Verhandlungsrunden zueinander zu kommen", sagte sie im Radiosender Bayern 2. Deswegen erstaune diese Massivität der Streiks vor der dritten Verhandlungsrunde schon deutlich.

Die Deutsche Bahn erneuerte ebenfalls ihre Kritik. "An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind", sagte ein Bahnsprecher. "Nicht jeder kann vom Homeoffice aus arbeiten." Nachteile hätten auch Tausende Unternehmen, die ihre Güter über die Schiene empfingen oder versendeten: "Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte mit Blick auf die Verhandlungen im öffentlichen Dienst, sie habe viel Verständnis dafür, dass sich Reisende über die Einschränkungen im Bahnverkehr ärgerten. Sie wisse, "dass das Streikrecht ein Grundrecht ist" und jeder das Recht habe, "das auch jederzeit zu tun." Allerdings solle man darauf achten, dass die Aktivitäten auch passten.

Ver.di und dbb verhandeln heute - EVG ab Mitte der Woche

Ver.di und der Beamtenbund dbb verhandeln heute in Potsdam erneut mit Bund und Kommunen für 2,5 Millionen Beschäftigte. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um örtliche Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie bundesweite Gespräche für die Luftsicherheit.

Bei der EVG stehen weitere Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden.

Uhr Ard Dieses Um 2023 09:00 Berichteten Das Morgenmagazin dieses Und März 07:17 27 Thema Thema 24 über Uhr