Ein Mann steht am Berliner Hauptbahnhof vor dem ersten ICE der in Direktverbindung von Berlin nach Paris fährt.

Ohne Umstieg durch Europa Wo es im internationalen Bahnverkehr noch hakt

Stand: 18.12.2024 14:21 Uhr

Neuerdings fahren ICEs direkt von Berlin nach Paris. Insgesamt gibt es seit diesem Monat mehr Direktzüge in Nachbarländer. Doch weiterhin erschweren einige Hindernisse Verbindungen durch Europa.

Als am Berliner Hauptbahnhof am Montag erstmals ein direkter ICE nach Paris losfuhr, strahlte der Bundesverkehrsminister. "Was für ein schöner Anlass", sagte Volker Wissing, der neben Bahnchef Richard Lutz, dem französischen Botschafter und anderen redete. Mit der neuen Verbindung geht es über Frankfurt, Karlsruhe und Straßburg in knapp acht Stunden in die französische Hauptstadt.

Seit dem Fahrplanwechsel zum 15. Dezember werden erstmals täglich auch München und Stuttgart mit Amsterdam umsteigefrei per ICE verbunden. Auf anderen Strecken wie Frankfurt-Brüssel, München-Zürich oder Berlin-Krakau werden künftig mehr Direktzüge eingesetzt.

Während Ingo Koschenz vom Fahrgastverband Pro Bahn die verbesserten Verbindungen nach Polen und Tschechien "hervorhebenswert" findet, spricht die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr von wichtigen Trippelschritten. Eine echte Verkehrswende scheitere aber an der zurückgebliebenen Infrastruktur.

Lokwechsel an der Grenze

Grundsätzlich wird auch die Allianz pro Schiene, wenn es um den europäischen Bahnverkehr geht. Das Verkehrsbündnis setzt sich für eine Stärkung des Schienenverkehrs ein. "Aktuell sind nur 28 von 57 Grenzübergängen zwischen Deutschland und seinen europäischen Nachbarländern elektrifiziert. Da brauchen wir viel schnellere Fortschritte", moniert Dirk Flege, Geschäftsführer von Allianz pro Schiene.

"Denn wenn die Lok an der Grenze gewechselt werden muss, weil keine Oberleitung da ist, verlängert und verteuert das die Reise unnötig - und schadet auch der Umweltbilanz", so Flege. Insbesondere an den Grenzübergängen zu Polen und Tschechien ist das ein Problem. In Polen haben zwei von zehn eine elektrische Oberleitung, in Tschechien einer von 14.

Tickets lassen sich nur etappenweise kaufen

Und noch etwas erschwert das grenzenlose Reisen: Ein Zugticket für eine Auslandsreise lässt sich mitunter deutlich schwieriger buchen als ein vergleichbares Flugticket. "Für viele Zugverbindungen muss man immer noch etappenweise Tickets auf verschiedenen Plattformen kaufen - das ist viel zu kompliziert", kritisiert Dirk Flege.

"Hier braucht es stattdessen eine zentrale Plattform, auf der ein Ticket für die gesamte Reisestrecke gebucht werden kann." Das seien Aufgaben für eine künftige Bundesregierung und den neuen EU-Kommissar für Verkehr Apostolos Tzitzikostas.

Großes Potenzial für europaweite Nachtzüge

Einig sind sich Allianz pro Schiene und der Fahrgastverband Pro Bahn, dass es mehr Nachtzugverbindungen geben müsste. Das Bundesverkehrsministerium hat kürzlich die "Studie zur Betrachtung der ökologischen und gesamtgesellschaftlichen Bilanz von Nachtzugverkehren auf der Schiene im inter- und intramodalen Vergleich" vorgestellt. Auf 140 Seiten kommt sie zu dem Ergebnis, dass mit Ausnahme der ÖBB, den Österreichischen Bundesbahnen, alle Aktivitäten bislang rein national ausgerichtet seien.

Nur wenige Staatsbahnen in Europa träfen Investitions-Entscheidungen in Sachen Nachtzüge. Selbst optimistisch gerechnet reichten diese europaweit "für lediglich grob 20 Millionen Fahrgäste; dem stehen allein innerhalb der EU 435 Millionen Fluggäste gegenüber".

Speziell für Deutschland kommt ein weiteres Problem hinzu. Wer hier Nachtzüge betreiben will, wisse nicht, ob die Trassen überhaupt verfügbar seien, stellt die Studie fest. Strecken wurden nämlich bislang "stärker in den Nachtstunden zwecks Unterhaltung in der Nutzbarkeit eingeschränkt". Instandsetzung im laufenden Betrieb passiert meistens nachts - und dann müssen viele Strecken ja auch noch generalsaniert werden.

Schweiz lässt Züge nicht ins Land

Der Zustand der Bahnanlagen wird häufig auch als Begründung für Verspätungen angeführt. Konkrete Auswirkungen hat das auf den grenzüberschreitenden Verkehr zur Schweiz. Im ersten Quartal 2024 ließen die Schweizer mehr als jeden zehnten Zug aus Deutschland nicht weiterfahren.

Sie waren zu unpünktlich - und diese Unpünktlichkeit sollte sich nicht ins Schweizer Bahnnetz übertragen. Das ist ein Problem, mit dem Deutsche Bahn nicht alleine dasteht. Auch den französischen TGV trifft dieses Schicksal mitunter. 

Anders beim ersten direkten ICE von Berlin nach Paris. Der traf am Montag pünktlich um 19.55 Uhr in der französischen Hauptstadt ein.