Fahrer des Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas mit einer Transporttasche des Unternehmens

Lieferdienste nach Corona Viel Arbeit, hohe Kosten, kein Gewinn

Stand: 09.08.2023 16:01 Uhr

Die Erfolgswelle der Essenslieferdienste ist mit dem Ende der Pandemie vorbei. Jetzt sollen auch Ladekabel oder Parfüms geliefert werden. Die Unternehmen geben sich optimistisch - doch praktisch alle machen Verluste.

Da hatte wohl jemand besonders viel Appetit: Fast 1000 Mal bestellte ein Kunde aus Frankfurt am Main im vergangenen Jahr Essen beim Lieferdienst Lieferando - bis zu dreimal am Tag klingelten die Boten mit Speisen oder Snacks an der Tür. Auch ein anderer Nutzer griff gerne ins Portemonnaie: Er legte innerhalb von nur zwölf Monaten rund 1200 Euro für Essenslieferungen auf den Tisch. Solche Kunden hat man bei Lieferando und Co. gerne - doch sie sind natürlich die Ausnahme.

Die Zahnbürste zur Pizza

Verzeichneten die Lieferdienste während Corona kräftige Nachfrage und wachsendes Geschäft, so hat sich die Aufregung um die Branche jetzt nach der Pandemie gelegt. Seitdem Restaurants und Cafés wieder geöffnet haben, ziehen viele Kunden das kulinarische Erlebnis vor Ort dem Essen aus dem Pappkarton vor.

Kein Wunder, dass einige in der Branche seit Neuestem nicht nur Hamburger, Pizza und Tiramisu liefern, sondern auch Handy-Ladekabel, Zahnbürsten und ausgewählte Parfüms - Kooperationen mit Elektronik-Fachmärkten und Drogerieketten machen es möglich.

Nur einer macht Gewinn

"Aus meiner Sicht kommt diese Idee zustande, weil händeringend nach etwas gesucht wird, mit dem man wirklich langfristig Geld verdienen kann", sagt Johannes Hesche von der ACATIS Investment- und Kapitalverwaltungsgesellschaft. Denn die zentrale Frage habe bislang kein Unternehmen beantwortet: Wie verdient man langfristig mit der Auslieferung überhaupt Geld?

"Das ist ein beinhartes Geschäft, und bislang ist der einzige Lieferdienst, der mir weltweit bekannt ist und der auch wirklich echten Gewinn schreibt, die chinesische Meituan", so Hesche. Das Pekinger Unternehmen bietet seit 2010 in rund 1000 chinesischen Städten verschiedene Dienstleistungen an und verbindet recht erfolgreich den Essenslieferdienst mit dem Verkauf von Kinokarten, Reisebuchungen und Car-Sharing-Angeboten. Alle anderen Mitbewerber schreiben rote Zahlen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich mit dem reinen Essens-Ausliefern nicht viel verdienen lässt, auch wenn die Großen der Branchen das immer wieder anders darstellen und optimistische Prognosen verbreiten. So auch der einst im Deutschen Aktienindex gelistete Lieferdienst Delivery Hero, der sich jetzt in die Bücher schauen ließ. Unter dem Strich stehen aber auch hier nur Verluste.

Kein Service für ganz Deutschland

Gründe dafür gibt es, wie in der gesamten Branche, viele: die Bestellsummen sind gering; trotzdem müssen die Kosten für Transport, Lagerung, Marketing und Lieferung eingespielt werden. Auch gibt es nur einen beschränkten Nutzerkreis, sagt Jörg Funder von der Hochschule Worms: "Tatsächlich sind diese Lieferdienste eigentlich nur in den Ballungszenten von Bedeutung, wo sie eine gewisse Bequemlichkeit für den Kunden anbieten, eben nicht nochmals das Haus verlassen zu müssen."

Ein flächendeckender Service für ganz Deutschland sei viel zu kostspielig und daher für die Lieferdienste uninteressant. Die Dienste "sprechen auch nur eine gewisse Kundschaft an - vorwiegend jüngere Kunden oder alleinstehende Menschen in Ein-Personen-Haushalten", so Funder. Ein Großteil der Bevölkerung werde also nicht erreicht.  

Schlechter Ruf erschwert Personalsuche

Auch ist es schwierig, Personal zu finden - denn die Lieferdienste haben in der Vergangenheit viele negative Schlagzeilen produziert, weil ihre Fahrer schlecht bezahlt und teilweise mit Knebelverträgen ausgebeutet worden sind. Zwar soll sich die Situation gebessert haben, behaupten die Unternehmen.

Dennoch bleibt das Liefergeschäft ein knallharter Job, sagt ACATIS-Analyst Hesche: "Es gibt sicherlich Leute, die diese Jobs ganz gut brauchen können. Ich denke da an Studenten und jemand, der kurzfristig einen Job haben und das eine Zeitlang machen möchte." Da könne so eine Tätigkeit auf die Beine helfen, und das sei auch nicht verwerflich, wie oftmals den Gesellschaften vorgeworfen wird. Aber "so etwas länger als Karriere in Angriff zu nehmen, wird auf Dauer auch nur sehr schwierig umsetzbar sein", meint Hesche. Essen unter Zeitdruck bei Wind und Wetter ausliefern sei eben kein schöner Job. 

Die Rahmenbedingungen sind also problematisch, der Erfolg der Branche ungewiss - und ob es mal schwarze Zahlen gibt, steht in den Sternen. Da hilft es wenig, dass etwa Branchenführer Lieferando den Markt sehr gut erforscht hat und genau weiß, was die Deutschen am liebsten bestellen: Cheeseburger, Pommes Frites und Pizza Margherita. 

 

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