Sozialwohnungen in Frankfurt
Hintergrund

Steigende Mieten Millionen Sozialwohnungen fehlen

Stand: 12.01.2023 13:08 Uhr

Wo Wohnraum am dringendsten gebraucht wird, entsteht am wenigsten davon. Denn dort gibt es für die Baubranche am wenigsten zu verdienen. Kann die Politik das überhaupt ändern?

Von Peter Sonnenberg, SWR

In den neunziger Jahren gab es in Deutschland rund drei Millionen Sozialwohnungen, heute sind es noch 1,1 Millionen. Darüber, wieviel geförderten Wohnraum Deutschland braucht, gibt es unterschiedliche Berechnungen. Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, sieht einen Bedarf von fünf Millionen Wohnungen. Dass sie so hoch greift, hat auch damit zu tun, dass gerade im Moment sehr viele Familien in finanzielle Schieflage geraten, die vor ein paar Jahren noch gut dagestanden haben.

Dass auch die Regierung die große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit sieht, ist nicht zu erkennen. 100.000 neue Sozialwohnungen wollte sie vergangenes Jahr schaffen, am Ende des Jahres gab es in Deutschland etwa 27.000 Sozialwohnungen weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der nach 25 bis 30 Jahren aus der Mietbindung gefallenen Wohnungen überstieg die Zahl der geförderten Neubauten.

Kaum neue Projekte geplant

Und das ist erst der Anfang, sagt Axel Tausendpfund, Direktor des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. "Die Ziele der Regierung werden wahrscheinlich auch dieses Jahr krachend verfehlt. Die Ursachen sind, dass wir stark steigende Zinsen haben, dass wir stark steigende Baukosten haben, dass wir auch durch die Krise in der Ukraine noch Schwierigkeiten haben, was Lieferketten angeht." 

Bauvorhaben, egal ob gefördert oder nicht, werden immer teurer. Für Investoren sprang bei geförderten Projekten auch mit Mieten um die sechs Euro noch Rendite raus. Die wird jetzt aber von den Kosten aufgefressen. Viele Städte melden, dass die laufenden Baustellen noch abgearbeitet werden, neue Projekte aber kaum geplant sind.

Gerade ärmere Familien seien "gekniffen", so Tausendpfund. Ein immer knapper werdendes Angebot auf dem gesamten Wohnungsmarkt führe dazu, dass die Mieten weiter stiegen. "Auf dem normalen Wohnungsmarkt haben finanziell schwache Wohnungssuchende kaum eine Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Selbst die, die einen Wohnberechtigungsschein haben, bekommen oft keine Sozialwohnung, weil einfach nicht genug da sind. Sie stehen auf Wartelisten."

Investoren brauchen mehr Anreize

An einigen Faktoren kann man derzeit nicht viel ändern: hohe Darlehenszinsen, hohe Preise, fehlende Fachkräfte am Bau. Aber an drei Stellschrauben könnte gedreht werden: Mit deutlich mehr Förderung würden wieder Anreize für Investoren entstehen, mit weniger Auflagen und schnelleren Genehmigungen könnte das Bauen einfacher, schneller und damit billiger werden - und es ließe sich schnell mehr Bauland erschließen.

Ein erster Schritt scheint getan, denn 2023 soll mehr staatliches Geld in den Sozialen Wohnungsbau fließen. Vorgesehen sind 1,28 Milliarden Euro. 750 Millionen waren es im Jahr 2022. Doch Sozialer Wohnungsbau ist Ländersache und die Förderprogramme sind alles andere als einheitlich. Am Beispiel der Nachbarländer Hessen und Rheinland-Pfalz sehe man das deutlich, erklärt Axel Tausendpfund für seine Region: "Rheinland-Pfalz hat in den letzten Jahren die Förderkonditionen sehr regelmäßig mindestens einmal pro Jahr angepasst und damit auf die gestiegenen Baukosten reagiert. In Hessen sind seit mehreren Jahren die Förderkonditionen nicht mehr angepasst worden. Die laufen dem Markt und den hohen Kosten hinterher."

Im Koalitionsvertrag ist außerdem vom Modell der "Wohngemeinnützigkeit" die Rede - Verena Bentele würde das gerne schon umgesetzt sehen. "Danach sollen Firmen, die Wohnungen zu einem günstigen Preis anbieten, Steuervorteile bekommen. Es soll jetzt ein Eckpunktepapier der Bauministerin Klara Geywitz vorgelegt werden. Aber dieses Eckpunktepapier muss dann auch schnell in Gesetzgebung münden. Denn der Wohnraum wird jetzt gebraucht und nicht erst in ein paar Jahren."

"Industrie muss mehr Fantasie entwickeln"

Allein der Ruf nach der Politik reiche aber nicht, meint Projektentwickler Jan Eitel, Gesellschafter der Immprinzip GmbH im Saarland, die bezahlbaren Wohnraum plant und realisiert. Er sagt, es gehe nicht allein darum, mehr vom Staat zu bekommen, sondern auch darum, günstiger und intelligenter zu bauen. "Weniger Auflagen sind da nur der Anfang, aber auch die Bauherren können viel tun: Baut kleinere Treppenhäuser, verringert die Wandstärke, geht auf Holzbau, plant Flachdächer ohne Atikka, und beim Schallschutz müssen wir nicht noch besser werden, weil wir schon am besten sind. Wir brauchen Innovationen, und die kommen nicht aus Verwaltungen - die Industrie muss wieder mehr Fantasie entwickeln."

Eitel hat noch eine gute Nachricht: "Sozialer Wohnungsbau ist für Anleger auch ein gutes Investment, denn sie vermieten ein Produkt, das viele wollen. Es gibt zum einen keine große Fluktuation, zum anderen so gut wie keine Leerstände, weil die Nachfrage enorm ist. Die Wohnungen haben meist den gleichen Standard wie nicht geförderter Wohnraum, und Investoren können sich ihr soziales Engagement auf die Fahnen schreiben."

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