Ölbohrstelle in Tatarstan, Russland

Konjunktur in Russland Öl-Preisdeckel sorgt für hohes Haushaltsdefizit

Stand: 12.07.2023 18:12 Uhr

Russlands Haushalt weist ein hohes Defizit auf: Dafür wird der vom Westen verhängte Öl-Preisdeckel verantwortlich gemacht. Auch wenn Russland so viel Öl wie lange nicht mehr exportierte, sank der Erlös deutlich.

Die Zahlen des russischen Finanzministeriums, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden, fielen ernüchternd aus. Russlands Staatshaushalt weist für das erste Halbjahr dieses Jahres ein deutliches Defizit auf. Es beläuft sich auf umgerechnet 26 Milliarden Euro. Im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres hatte es noch ein sattes Plus von umgerechnet 14,7 Milliarden Euro gegeben.  

Die für den russischen Haushalt so wichtigen Steuereinnahmen aus dem Öl und Gasgeschäft sanken im ersten Halbjahr um 47 Prozent. Das russische Finanzministerium machte dafür unter anderem die niedrigen Preise für Rohöl verantwortlich.  

Drei Länder mit gesteigerten Importen

Der unabhängige russische Wirtschaftsexperte Wladislaw Inozemtsev, der mittlerweile in den USA lebt, ist überzeugt, dass die westlichen Sanktionen dafür verantwortlich seien, dass weniger Geld in die Staatskasse des Kreml fließt. Im Interview mit dem ARD-Hörfunk sagte er: "Der einzige Grund dafür ist, dass Russland gezwungen war wegen der Sanktionen in Europa und der Preisdeckelung für russisches Rohöl, seine Exporte zu diversifizieren."

Die Lieferungen seien vor allem an Indien, China und die Türkei gegangen, die ihre Importe teilweise deutlich gesteigert hätten. Russland habe davon aber nicht davon profitieren können, so Inozemtsev. "Indiens Importe sind teilweise um das 19-fache gestiegen, Chinas Importe um bis zu 45 Prozent und die Türkei erhöhte ihre Importe ebenfalls."

Diese drei Länder verlangten große Preisnachlässe - weshalb die Erlöse aus dem Ölgeschäft fielen.

Öl-Preisdeckel im Mittelpunkt

Laut Experten machte sich vor allem der von den westlichen Industrienationen verhängte Öl-Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel Rohöl bemerkbar, das auf dem Seeweg exportiert wird. Selbst im russischen Staatsfernsehen wird der Zusammenhang so gesehen.  

"Der Preis für die russische Öl-Marke Urals sank im Dezember, nachdem die EU-Länder und die G7 die Preisdeckelung für den russischen Brennstoff eingeführt hatten. Nach Angaben des Finanzministeriums war der Durchschnittspreis im Juni des Vorjahres im Vergleich zum Juni dieses Jahres anderthalb Mal höher."

Dadurch, dass der asiatische Markt für Russlands Ölproduzenten immer wichtiger wird, sinkt die Bedeutung des Urals-Preisindex. Die bislang wichtigste russische Sorte Urals bildete lange Zeit den Richtwert für Exportpreise von russischem Rohöl nach Europa.

Neue russische Richtmarke?

Nun gibt es anscheinend Überlegungen, eine neue russische Richtmarke einzuführen, die sich am Preis des Öls, das über die Eastern Siberia Pacific Pipeline geleitet wird, orientiert. Wjatscheslaw Mischtschenko, Experte aus dem russischen Energieministerium, erklärte zu Beginn des Monats, dass zuerst die Bedingungen dafür auf dem Binnenmarkt geschaffen werden müssten.

"Dann gehen wir auf das nächste Level, eventuell das der Eurasischen Wirtschaftsunion. Das nächste Level sind natürlich große ausländische Partner, wie China, Indien und andere Länder", sagte Mischtschenko.

Hohe Exportwerte - Erlös trotzdem gesunken

Dahinter steckt das Kalkül höhere Preise zu erzielen. Noch im Frühjahr hatten Zahlen aufhorchen lassen, wonach Russland so viel Erdöl exportiere wie schon lange nicht mehr. Im Monatsbericht der Internationalen Energieagentur IEA hieß es, dass Russland im März im Durchschnitt 8,1 Millionen Barrel Öl pro Tag in andere Länder exportiere. Dies sei der höchste Exportwert seit April 2020.

Allerdings sank gleichzeitig der Erlös aus dem Öl-Verkauf deutlich - laut IEA musste Russland im Jahresvergleich einen Einbruch seiner Einnahmen um etwa 43 Prozent in Kauf nehmen. Im Mai waren die Öl-Exporte Russlands sogar rückläufig.

Alexander Djukow, Chef von Gazpromneft der Ölsparte des russischen Energieriesen Gazprom, baut auf die mittel- und langfristigen Chancen fernab des europäischen Marktes. Er sieht die Notwendigkeit und den Bedarf an Öl auch über den Horizont des Jahres 2030 hinaus: "Und das, was wir beobachten, ist natürlich die Verschiebung der Nachfrage und des Konsums in Richtung Süden und Osten. Natürlich müssen wir alles dafür tun, um die Lieferungen von Erdöl und Ölprodukten zu entwickeln."

Einige EU-Länder beziehen weiterhin russisches Öl

Trotz der Umorientierung Richtung Osten: Die Europäische Union spielt als Abnehmer russischen Öls auch noch eine gewisse Rolle, auch wenn Länder wie Deutschland kein Öl mehr aus Russland beziehen.

Im vergangenen Jahr gingen die Lieferungen in die EU von vier Millionen Barrel pro Tag auf 600.000 Barrel zurück. Und sie dürften in diesem Jahr weiter gesunken sein. Aber es gibt noch Abnehmer, wie der russische Wirtschaftsexperte Inozemtsev betont. 

Ungarn, die Slowakei und auch ein wenig die tschechische Republik und Bulgarien - diese Länder kaufen immer noch russisches Öl. Längst nicht mehr so viel wie vergangenes Jahr, aber sie kaufen es noch. 

Im Wettbewerb mit Ländern im mittleren Osten

Daran, dass Russland in diesem Jahr seine Exporte und Erlöse aus dem Ölgeschäft noch steigern könnte, glaubt Inozemtsev nicht. Der Höhepunkt sei bereits erreicht, zudem stehe Russland nun in einem stärkeren Wettbewerb mit Ölförderländern aus dem mittleren Osten.

Russland hatte im März eine Reduzierung seiner Ölfördermenge von 500.000 Barrel pro Tag angekündigt und will nun im August noch einmal um die gleiche Menge reduzieren. Diese Maßnahme solle bis Ende des Jahres beibehalten werden, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, hieß es aus dem russischen Energieministerium. Oder anders ausgedrückt, um das Angebot zu verknappen und so die Ölpreise zu steigern.