Haushaltssanierung in Portugal Beim Musterschüler wächst die Angst vor der Rezession

Stand: 03.04.2012 09:00 Uhr

Portugal hat sich einer Rosskur unterzogen, um die Haushaltssanierung zu erreichen. Inwieweit das bislang von Erfolg gekrönt ist, wird sich heute im Bericht der EU-Kommission zeigen. Klar ist: Der Sparkurs bringt Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit mit sich. Noch überwiegt aber das Prinzip Hoffnung.

Von Christopher Plass, ARD-Hörfunkstudio Madrid

Neuer Rekord bei der Arbeitslosigkeit - das war die Aufmacher-Meldung gestern in den portugiesischen Nachrichten: "Die Statistiker von Eurostat haben ermittelt, dass die Arbeitslosenquote auf 15 Prozent angestiegen ist."

Besonders betroffen auch hier - wie im Nachbarland Spanien - die Jugend. Rund 35 Prozent der jungen Leute unter 25 sind ohne Job. Nicht nur angesichts solcher Daten spürt Portugal die Folgen der aktuellen Rezession: Die Wirtschaft könnte in diesem Jahr um mehr als drei Prozent einbrechen. Und das heißt, auch die Arbeitslosigkeit dürfte weiter ansteigen. Wie es aussieht, suchen immer mehr Portugiesen ihr Heil in der Flucht ins Ausland. Erst vor kurzem wurde gemeldet, dass im vergangenen Jahr rund 150.000 meist junge Portugiesen ausgewandert sind - viele hoffen beispielsweise in Brasilien auf neue Chancen.

Die Unruhe wächst

Es ist eine Rosskur, die die Menschen durchleiden müssen. Die Unruhe wächst, aber es überwiegen noch Meinungen wie die einer Frau aus Lissbon, die uns beim Einkaufen sagt: "Die Mehrwertsteuer ist höher, der Bus wird teurer. Müssen wir halt zu Fuß gehen. Wir müssen unsere Ausgaben senken, um irgendwie zu überleben. Und wir hoffen, dass es besser wird für unsere Unternehmen und dass es mehr Arbeit gibt."

Hoffen, hoffen, hoffen - das ist das Überlebensprinzip, nicht nur der einfachen Menschen, sondern auch der Politik. Die konservativ-liberale Regierung um Ministerpräsident Passos Coelho hat sich voll unter die Fittiche von EU, EZB und IWF begeben. Für weitere Hilfen aus dem Rettungsfonds, mit denen das Land rechnen kann, hat sich die Regierung die Rolle eines Musterschülers auferlegt. Das Haushaltsdefizit soll, wie gefordert, durch einen rigiden Sparkurs in diesem Jahr drastisch auf 4,5 Prozent - ohne Sondereinnahmen - abgesenkt werden, 2013 soll nach kühnsten Träumen wieder eine Drei vor dem Komma stehen.

Warnung vor zu viel Sparen

Im letzten Bericht der Troika hieß es, 2013 könne sich die Wirtschaft vielleicht leicht erholen. Es wurde aber auch eingeräumt, dass die Defizitziele nur erreichbar seien, wenn sich nicht gleichzeitig die Rezession verschlimmere. Danach aber sieht es aus. Die Gewerkschaften warnen vor einem Kaputtsparen des Landes.

Finanzminister Vitor Gaspar weiß, was alles auf dem Spiel steht und gibt schon mal zu Protokoll: "Es sind keine weiteren Sparmaßnahmen vorgesehen. Gleichzeitig verfolgt die Regierung eine Strategie der Glaubwürdigkeit."

Prinzip Hoffnung. In Lissabon wird beobachtet, dass Restaurants leer bleiben, dass Familien ihre Wohnungen an die Banken abtreten müssen, weil sie Kredite nicht mehr bedienen können. Der Politikexperte Viriato Marques warnt: "Es deutet alles darauf hin, dass wir für die Haushaltssanierung einen sehr hohen Preis zahlen müssen. Firmen gehen pleite, die Arbeitslosigkeit steigt. Das ist auch für die Märkte kein gutes Zeichen."

Das ist das größte Problem. Portugal erhält von der Politik gute Noten für seinen Sanierungskurs. Aber die Märkte werden das Vertrauen schnell verlieren, wenn die Rechnung ökonomisch nicht aufgeht.