Interview

Interview mit dem amtierenden IWF-Chef Lipsky "Strauss-Kahn hat den IWF exzellent geleitet"

Stand: 22.10.2015 12:09 Uhr

Der amtierende IWF-Chef Lipsky gibt freimütig zu, dass die vergangenen Tage schwierig waren: "Schockierend" und in vielerlei Hinsicht "traurig" seien die Ereignisse gewesen, sagte er. Der zurückgetretene Direktor Strauss-Kahn habe aber "exzellente" Arbeit geleistet und habe "ganz hervorragende persönliche Qualitäten".

Von Klaus Kastan, BR-Hörfunkstudio Washington

Washington, 19. Straße, Hausnummer 700: In dem riesigen sandsteinfarbenen Komplex sitzt der Internationale Währungsfonds. 2700 Menschen arbeiten hier, sie kommen aus allen Kontinenten. Natürlich ist der tiefe Fall des inzwischen zurückgetretenen IWF-Chefs, Dominique Strauss-Kahn, nach wie vor Gesprächsthema Nummer Eins unter den Mitarbeitern. Oben im 12. Stock des Gebäudes sitzt John Lipsky. Der Amerikaner ist nach dem Rücktritt des einst so mächtigen Franzosen der amtierende Direktor des IWF.

Lipsky gibt freimütig zu, dass die vergangenen anderthalb Wochen schwierig waren: "Ja, natürlich waren die Ereignisse in der zurückliegenden Woche schockierend und in vielerlei Hinsicht auch sehr traurig." Bei der Frage, ob er Kontakt zu seinem ehemaligen Chef habe, winkt er ab. Dazu wolle und könne er nichts sagen. Bei den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn handele es sich um ein schwebendes Verfahren, so der amtierende IWF-Direktor. 

"Viele ganz hervorragende persönliche Qualitäten"

Aber Lipsky macht auch klar, dass er über die Arbeit des ehemaligen Währungsfonds-Chefs nichts Negatives sagen könne - ganz im Gegenteil: "Herr Strauss-Kahn hat in einer ganz schwierigen Phase den IWF exzellent geleitet und Führung demonstriert. Und er hat auch viele ganz hervorragende persönliche Qualitäten. Wir setzen voraus, dass der frühere geschäftsführende Direktor solange als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist. Und wir hoffen, dass das Alles für ihn gut ausgehen wird."

Die finanzpolitischen Positionen des Internationalen Währungsfonds seien aber in der Vergangenheit nicht von Strauss-Kahn alleine aufgestellt worden. Daran seien viele beteiligt gewesen: "Das ist nicht das Ergebnis der Arbeit eines Einzelnen gewesen, und wenn Herr Strauss-Kahn jetzt hier bei uns säße, würde er das ganz dick unterstreichen", so Lipsky.

Lagarde eine "hervorragende Kandidatin"

Der Amerikaner wird selbst bis August die Geschäfte des Fonds führen, danach wird er den IWF verlassen. Lipsky hatte schon vor Monaten angekündigt, dass er keine zweite fünfjährige Amtszeit anstrebe. Wer Strauss-Kahn und ihm nachfolgen werde, sei noch ungeklärt. "Falls Sie es wissen, verraten Sie es mir", meint er schmunzelnd. Die Personalentscheidung werden die 187 Mitgliedsländer des Währungsfonds treffen. In der Vergangenheit war immer ein Europäer an der Spitze des IWF und die Weltbank wurde von einem US-Amerikaner geführt. Doch gerade Schwellenländer wie Brasilien und China wollen diese inoffizielle Regel jetzt erstmals durchbrechen.

Die europäischen Länder beharren dagegen auf einen Kandidaten aus Europa - beispielsweise auf die französische Finanzministerin Christine Lagarde*. Lipsky selbst gibt keine Empfehlung ab. Lagarde sei eine "hervorragende Kandidatin", sagte er - genauso wie andere Namen auch, die im Gespräch für den IWF-Chefposten seien: "Es gibt ein Übereinkommen, dass die Auswahl der Kandidaten transparent und offen sein muss. Ich nehme das gegebene Versprechen sehr ernst. Für mich heißt das: Der Nominierungsprozess muss wirklich offen für alle sein. Offen für europäische Kandidaten und offen für nicht-europäische Kandidaten."

Bis zum 10. Juni müssen die Namen potenzieller Bewerber für die Nachfolge von Strauss-Kahn beim IWF in Washington eingegangen sein.

*Das Gespräch wurde kurz vor der Bekanntgabe der Kandidatur Lagardes geführt.

Das Interview führte Klaus Kastan, ARD Washington