Roggenfeld
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Umstrittene EU-Pläne Biobauern wehren sich gegen "grüne Gentechnik"

Stand: 05.07.2023 13:25 Uhr

Die EU-Kommission will die Regeln für den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft lockern. Das stößt vor allem bei Biobauern auf Widerstand. Sie fürchten um ihren guten Ruf.

"Bei der grünen Gentechnik tun alle so, als ob man damit die Welt retten könnte. Dabei kann man die Risiken noch gar nicht abschätzen - nicht nur für den Verbraucher." Nein, Klaus Borngässer hält überhaupt nichts vom Vorstoß der EU-Kommission, bestimmte Verfahren gentechnischer Manipulation künftig nicht mehr deklarationspflichtig zu machen. Der Bioland-Bauer aus Nierstein am Rhein baut Kartoffeln, Roggen, Weizen und Dinkel an; auf seinen Äckern wachsen aber auch Luzerne, Hafer, Gerste und Erbsen als Futter für seine Rinder.

Genmanipulierte Pflanzen sind im Bioanbau tabu, dennoch verhagelt die geplante Neuregelung dem Landwirt die Laune. "Was will ich denn machen, wenn der Nachbar Gen-Getreide auf dem Feld hat und der Wind bei der Bestäubung die Pollen zu mir rüberweht? Darf ich meine eigenen Körner im nächsten Jahr aussäen oder muss ich zertifiziertes Bio-Saatgut kaufen?"

Mit der "Genschere" wird die DNA verändert

Konkret geht es um Neuzüchtungen, die nicht wie herkömmlich durch Kreuzungen und Selektion entstanden sind, sondern bei denen dieser Vorgang im Labor mittels Gentechnik simuliert wird. Dazu werden keine artfremden Gene eingebaut, sondern mittels einer "Genschere" die pflanzeneigene DNA verändert, einzelne Gene entfernt oder ausgetauscht. Die so erzeugten Chromosomen und ihre Eigenschaften werden auf natürliche Weise an die nächste Generation vererbt. Die Pflanzen sind später nicht von herkömmlich Gezüchteten zu unterscheiden.

Forscher fordern schon lange, diese sogenannte Genom-Editierung juristisch nicht mit der herkömmlichen Gentechnik gleichzusetzen. Neuzüchtungen dauerten so viel kürzer als bisher, man hoffe auf mehr Ertrag und mehr Umweltschutz, wenn die Pflanzen dank ihrer Eigenschaften weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel brauchten. Nach ihrem Willen - und laut Vorschlag der EU-Kommission - könnte der Anbau erheblich erleichtert werden, außerdem müssten die Produkte nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden.

Sensibles Thema, sensible Kunden

"Der Verbraucher blickt irgendwann überhaupt nicht mehr durch, selbst wenn er einigermaßen informiert ist", gibt auch Thorsten Neubauer zu bedenken. Er ist Geschäftsführer der "Kornbauern", einer Erzeuger- und Vermarktungsgesellschaft für Bioland-Produkte, vor allem Getreide. 150 Biobetriebe aus Rheinland-Pfalz und angrenzenden Regionen gehören dazu, beliefert werden unter anderem Mühlen und Bäckereien. "Unsere Kunden sind sehr sensibel. Eine große Bäckerei kauft beispielsweise keinen Hybridroggen, also Getreide, das nur eine Generation wächst und nicht als Saatgut taugt, nur auf Effektivität gezüchtet wurde."

Die Verunreinigung von Biofeldern durch angrenzende Flächen mit genom-editierten Pflanzen: ein Problem, dem nur mit enormem Zusatzaufwand beizukommen wäre, so seine Einschätzung. "Noch mehr Kontrollen, noch mehr Dokumentation, um zu beweisen, dass wir gentechnikfrei arbeiten - das alles erschwert das Geschäft". 

Dabei sind es nicht nur Bioerzeuger und -lebensmittelproduzenten, denen die mögliche Gleichstellung - auf dem Acker und am Ende auf dem Etikett - schwer im Magen liegt. Auch konventionelle Bauern und Firmen, die mit "gentechnikfrei" werben, könnten sich dessen bald nicht mehr sicher sein, so die Befürchtung, wenn "grüne Gentechnik" nicht mehr gekennzeichnet werden muss.

Auch Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), findet deutliche Worte. Der Entwurf der EU-Kommission sei "desaströs" für die mehr als 80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher, die keine Gentechnik auf ihrem Teller wollen: "Er ist desaströs für das europäische Vorsorgeprinzip und für die europäische Landwirtschaft, denn die Bezeichnung 'ohne Gentechnik' und die Unabhängigkeit von patentiertem Saatgut war für sie bisher ein Wettbewerbsvorteil."

"Gentechnik durch die Hintertür"

Biobauer Borngässer wird schon bald Getreide an die "Kornbauern" liefern, dort ist er Mitglied. Das wird auch weiterhin funktionieren, da ist er sich sicher - und auch, dass er am Biogedanken festhalten wird. "Kein synthetischer Dünger, keine Herbizide." Sein Wunsch ist, dass sich die Politik stärker für den Biolandbau einsetzt. "Am Ende kriegen wir sonst Gentechnik durch die Hintertür, das wollen wir nicht. Und der Verbraucher will das auch nicht."

Darum hat er eine Petition unterschrieben, die sich gegen die Deregulierung neuer Gentechniken ausspricht. Ob das hilft? Ob das Vorsorgeprinzip - Zulassung neuer Sorten erst dann, wenn negative Effekte auf Umwelt und Natur ausgeschlossen werden können - auch weiter Bestand hat? Borngässer hat da so seine Zweifel.