Hintergrund

Fakten zur Jugendarbeitslosigkeit in der EU Keine Chance - selbst bei Top-Ausbildung

Stand: 27.06.2013 12:22 Uhr

Die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen in der EU klettert in immer neue Höhen. Doch wie ist die Lage in den einzelnen Ländern tatsächlich? Wie sind die Betroffenen gebildet? Und welche Konsequenzen ziehen sie? Daten und Fakten zum Thema.

Von Sarah Welk, tagesschau.de

"Heiraten Sie doch meinen Sohn" - diesen Ratschlag gab einst Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi einer jungen Arbeitslosen, die ihn in einer Talkshow fragte, wie Paare ohne sichere Arbeitsplätze in Italien eine Familie gründen könnten. Das war im Jahr 2008 und schon damals durften junge Italiener sich kaum Hoffnung auf einen Job machen. Diese Lage hat sich durch die Finanzkrise weiter verschärft: Im April waren hier mehr als 40 Prozent der Unter-25-Jährigen arbeitslos, bei den Akademikern immerhin noch jeder Fünfte.

"Bis 2016 wird sich die Lage nicht verbessern"

In den anderen europäischen Krisenländern ist die Situation noch dramatischer. In Portugal lag die Erwerbslosenquote unter Jugendlichen nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat im April bei knapp 43 Prozent, in Spanien bei 56 und in Griechenland sogar bei 62 Prozent. Als erwerbslos gilt in der Statistik, wer in den vergangenen vier Wochen einen Job gesucht hat und eine Stelle innerhalb von zwei Wochen antreten könnte. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) wies darauf hin, dass die tatsächlichen Zahlen sogar noch höher liegen könnten als ausgewiesen: Viele junge Menschen hätten die Suche nach einem Arbeitsplatz inzwischen schlicht aufgegeben. Und bis 2016 werde sich die Lage auch nicht wesentlich verbessern.

Die Jugendlichen sind in der Unterzahl

Hier wachse eine verlorene Generation heran, warnen Experten immer wieder. Noch weiter geht der Spanien-Experte Thomas Stehling: Die enorme Jugendarbeitslosigkeit bedrohe die Demokratie, sagte er im Gespräch mit tagesschau.de. Die Betroffenen verlören zunehmend das Vertrauen in das herrschende System. "Was will man denn von diesen Menschen erwarten? Dass sie jubelnd über die Straßen laufen und rufen: "Soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt?", so der Chef des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Madrid weiter. In einem Gespräch mit dem "Guardian" verglich der OECD-Experte Stefano Scarpetta die Situation sogar mit der im Arabischen Frühling, als sich die Bevölkerung in zahlreichen arabischen Ländern gegen ihre Herrscher auflehnten. Auch hier habe es eine Generation gut ausgebildeter junger Menschen gegeben, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt habe.

Doch bei näherem Hinsehen gibt es hier einen gewichtigen Unterschied. Während die Zahl der jungen Menschen in vielen Ländern der arabischen Welt mehr als 50 Prozent beträgt, ist in Europa der Durchschnitt der Gesellschaft deutlich älter. So sind beispielsweise in Italien nur zehn Prozent der Einwohner zwischen 15 und 24 Jahren alt, ganz ähnlich sieht es in Griechenland und Spanien aus.

Viele Spanier brechen die Schule ab

In vielen Ländern der EU sind die Jugendlichen gut ausgebildet. So verfügten im Jahr 2010 insgesamt 79 Prozent der Jugendlichen zwischen 20 und 24 Jahren mindestens über einen Sekundarstufe-II-Abschluss - also Abitur oder eine äquivalente Qualifikation. Doch auch hier liegen beispielsweise Spanien und Portugal unter dem Durchschnitt. In Spanien liegt die Quote bei 61,1 Prozent, in Portugal bei 58,7. Hinzu kommt, dass in Spanien auch die Zahl der Schulabbrecher besonders hoch ist: Knapp 25 Prozent der Jugendlichen können gar keinen Abschluss vorweisen. Ein Grund dafür ist der damalige Bauboom im Land: Damals brachen viele die Schule ab und jobbten stattdessen auf den Baustellen des Landes. Als die Immobilienblase platzte, wurden sie arbeitslos. Laut Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft hatten im Jahr 2011 in der gesamten EU rund 15 Prozent der 18- bis 24-Jährigen noch nicht einmal einen mittleren Schulabschluss.

Die Akademiker verlassen die Krisenländer

Rund 30 Prozent der 30- bis 34-Jährigen sind hingegen EU-weit sehr gut ausgebildet - sie haben den Angaben zufolge die Universität erfolgreich abgeschlossen. Insbesondere sie sind es, die sich nun auch im europäischen Ausland nach Jobs umsehen. Und ein Blick in das von der EU-Kommission initiierte europäische Jobportal Eures gibt ihnen recht. Alleine in Deutschland bietet die Suchmaschine in dieser Woche knapp 270.000 offene Arbeitsstellen an. Für Spanien sind es lediglich 434.

Im Vergleich zum Oktober 2011 habe sich die Zahl der Beschäftigten aus Italien, Griechenland, Spanien und Portugal in Deutschland bis Oktober 2012 um 7,6 Prozent erhöht, teilte die Bundesagentur für Arbeit mit. Insgesamt arbeiteten zu diesem Zeitpunkt dann 465.000 Personen aus den genannten Regionen in Deutschland. Der Anstieg der Beschäftigten aus den Krisenländern sei höher als die Zunahme der Beschäftigten insgesamt in Deutschland. Und auch die Goethe-Institute bemerken diesen Trend: Insgesamt lernen in den Eurokrisenstaaten hier 50 Prozent mehr Menschen Deutsch als vor drei Jahren. Die meisten tun das, weil sie in Deutschland arbeiten wollen. Zumindest übergangsweise - die Erfahrung zeigt, dass viele Auswanderer zurückkehren, sobald sich die wirtschaftliche Lage in der Heimat gebessert hat.

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