Interview

Grünen-Politiker Hofreiter zum Hauptstadtflughafen "Der Bund hat beim BER versagt"

Stand: 10.01.2013 17:12 Uhr

Für die Pannen am Flughafen BER werden vor allem Landespolitiker verantwortlich gemacht. Doch auch der Bund trage eine Mitschuld, sagt der Grünen-Politiker Anton Hofreiter im Interview mit tagesschau.de. Das Verkehrsministerium - und damit dessen Chef Ramsauer - habe alle Entscheidungen abgenickt.

tagesschau.de: In der öffentlichen Wahrnehmung dreht sich beim Debakel um den Flughafen BER alles um die Landespolitiker Wowereit und Platzeck. Doch welche Verantwortung trägt das Bundesverkehrsministerium?

Anton Hofreiter: Der Bund ist mit einem Anteil von 26 Prozent am BER beteiligt - und hat damit erheblichen Einfluss. Gesetzlich gesehen ist der Bau von Flughäfen zwar Ländersache. Doch es hat einen Grund, warum der Bund bei derartigen Großprojekten mit dabei ist: Um genau das zu verhindern, was jetzt am BER passiert ist.

Denn die Politik geht davon aus, dass der Bund weitaus mehr Erfahrung und mehr Wissen hat, was die Steuerung und Überwachung von großen Bauvorhaben betrifft. Aus demselben Grund ist der Bund beispielsweise auch am Münchener Flughafen beteiligt.

Zur Person
Anton Hofreiter ist seit 2005 für die Grünen im Bundestag. Der promovierte Biologe war mehrere Jahre Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dabei setzte er sich für eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ein. Seit 2013 ist Hofreiter Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.

tagesschau.de: Heißt das im Umkehrschluss, dass der Bund - und damit auch Verkehrsminister Ramsauer - als Korrektiv versagt haben?

Hofreiter: Ja. Denn der Bund hat die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die bei derartigen Projekten eher unerfahrenen Bundesländer nicht in solche Fehler hineinlaufen, wie sie jetzt passiert sind. Doch der Bund hat sich um den BER nicht gekümmert. Das fing bereits unter Verkehrsminister Tiefensee an. Und unter Ramsauer hat sich das Nicht-Kümmern und Nicht-Interessieren für den BER noch verschärft.

tagesschau.de: Woran liegt das Ihrer Ansicht nach? Es geht immerhin um den Flughafen der Bundeshauptstadt.

Hofreiter: Tiefensee hatte damals grundsätzlich ein Problem mit der Steuerung seines Hauses. Ramsauer hingegen legt seinen Schwerpunkt auf Straßenbau und auf süddeutsche Regionen. Und immer dann, wenn das Debakel am BER zur Sprache kommt, tut er so, als wenn er der Chefaufklärer wäre. Dabei sind er und sein Haus bei den Pannen mit die Hauptverantwortlichen.

"Das Verkehrsministerium hätte bremsen müssen"

tagesschau.de: Woran machen Sie das fest?

Hofreiter: Das Verkehrsministerium hätte schon bei den Vertragskonstruktionen bremsen und Einspruch erheben müssen. Es kann beispielsweise nicht sein, dass ein derartiges Großprojekt nur mit einem Technikvorstand und ohne eigenen Finanzvorstand geplant wird. Außerdem hätte der Bund darauf hinweisen müssen, dass ein Eröffnungstermin niemals politisch, sondern ausschließlich fachlich gesetzt werden darf.

Auf dem Bau gab es mehr als 200 Planänderungen. Wenn ich ständig umplane, dann ist es unwahrscheinlich, dass der alte Zeitplan hinhaut. Aber der Bund hat alle diese Zeitpläne genehmigt. Mit der Sperrminorität von 26 Prozent hätte das Verkehrsministerium dies jedoch verhindern können.

tagesschau.de: Hat für den CSU-Politiker Ramsauer der Hauptstadtflughafen überhaupt Priorität?

Hofreiter: Den Eindruck habe ich nicht. Das ist bei anderen Großprojekten ähnlich. Ramsauer duckt sich ja zum Beispiel auch bei "Stuttgart 21" sowie bei allen Vorhaben außerhalb Bayerns weg. Für die CSU liegt der Fokus eben auf Bayern. Dass eine Regionalpartei sich nicht für das große Ganze interessiert, ist zwar nicht überraschend. Für einen Bundespolitiker stellt das aber ein Problem dar.

"Kritische Nachfragen reichen nicht aus"

tagesschau.de: Welche Probleme hat das monatelange Ignorieren des BER-Debakels nach sich gezogen?

Hofreiter: Die politische Festlegung auf einen Termin - im vergangenen Jahr war das der 3. Juni - hat dazu geführt, dass in den letzten Monaten auf der Baustelle geschlampt wurde. Ich habe mir das mal angeschaut: Zum Beispiel liegen dort Datenkabel neben Starkstromkabeln, was nicht zulässig ist. All das hätte der Bund aufgrund seines fachlichen Wissens verhindern müssen. Da genügt es nicht, wenn Staatssekretär Bomba, der für Minister Ramsauer im BER-Aufsichtsrat sitzt, sagt, er hätte in dem Gremium kritische Nachfragen gestellt.

Hinzukommt, dass der Aufsichtsrat einen kapitalen Fehler begangen hat, als 2012 feststand, dass die Eröffnung verschoben werden muss. Man hat einen Sündenbock gesucht - und die zuständige Planungsgesellschaft komplett entlassen. Damit haben die Verantwortlichen alle Planer vor die Türe gesetzt. 

Mit anderen Worten: Sie machten aus der Baustelle eine Bauruine, weil das gesamte planerische Wissen entlassen wurde. Und deswegen kommt der jetzige Technikchef Horst Amman auch nicht voran. Er muss de facto Baustellenarchäologie betreiben, weil in der Phase des Endspurts alles abgebrochen wurde. Das war eine klare Fehlentscheidung. Seitdem ruht die Baustelle und es ist vollkommen unklar, wann der Airport eröffnet werden kann.

Fachleute statt Politiker

tagesschau.de: Als Reaktion auf die Pannen hat sich zu Beginn der Woche Berlins Bürgermeister Wowereit von der Spitze des Aufsichtsrats zurückgezogen und Ministerpräsident Platzeck als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Dagegen formiert sich aber Widerstand - und es gibt auch die Idee, einen unabhängigen Fachmann zum Chef zu küren. Wäre das besser?

Hofreiter: Da das Projekt in so großen Schwierigkeiten steckt, wäre es sinnvoll, einen Experten in den Aufsichtsrat zu berufen, der seine ganze Zeit und Kraft dem Flughafen widmen kann. Es gibt eine ganze Reihe von Fachleuten, die in Frage kämen, etwa der frühere Chef des Frankfurter Flughafens, Wilhelm Bender. Es wäre in diesem Fall klug, einen Aufsichtsratsvorsitzenden zu haben, der im Grunde nichts anderes zu tun hat, als das Projekt BER zum Erfolg zu führen.

Das Interview führte Jörn Unsöld, tagesschau.de.

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