Bauarbeiter arbeiten an der Fertigstellung von Einfamilienhäusern
FAQ

Immobilienmarkt Was den Wohnraum teuer macht

Stand: 22.08.2019 08:55 Uhr

Seit Jahren steigen Mieten und Baukosten. Wohnen in Deutschland wird immer teurer. Was treibt die Preise auf dem Immobilienmarkt an?

Von Günter Marks, ARD-aktuell

Welche Rolle spielt die demografische Entwicklung?

Laut Statistischem Bundesamt wächst die Bevölkerung seit Jahren. Im Jahr 2018 lag die Zahl bei 83 Millionen. Das sind 227.000 Menschen mehr als ein Jahr zuvor (+0,3 Prozent). Ähnlich liegen die Steigerungen in den beiden Jahren davor. Und diese Entwicklung sei der Grund, warum "die Grundstückspreise massiv durch die Decke gehen", sagt Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) im Gespräch mit tagesschau.de. Das Angebot für bebaubare Grundstücke würde "zunehmend austrocknen."

"Die Bevölkerung in Deutschland ist nach wie vor wachsend", so Esser. "Und es wurde einfach zu wenig Neubau geleistet. Und nun kommen wir an die Grenzen."

Ähnlich äußert sich Carolin Hegenbarth, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Immobilienmakler IVD. "Man ist ja von einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung auch in den Städten ausgegangen, was nun aus vielerlei Gründen widerlegt ist, beispielsweise die Binnenwanderung, die EU-Zuwanderung und anderweitige Migrationsbewegungen", sagt sie im Gespräch mit tagesschau.de. Auch die zunehmende Akademisierung führe dazu, dass immer mehr Menschen in den Städten leben.

Wie wirken sich Spekulationen aus?

Das gängige Geschäftsmodell in der Immobilienbranche lautete in den vergangenen Jahren: Kaufen, sanieren, teuer vermieten - oder wieder verkaufen. Bauunternehmen erzielen mit diesem Ansatz nach wie vor gute Gewinne. Auch Einzelpersonen spekulieren mit Liegenschaften - als kurzfristige Investition oder langfristige Anlage. Aufgrund niedriger Zinsen erscheinen Immobilien seit Jahren als sichere und wirtschaftliche Anlage.

Ökonomen warnten zuletzt vor einer Immobilienblase in Deutschland. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) liegt das Risiko einer spekulativen Übertreibung derzeit bei 92 Prozent. Die Preisentwicklung sei explosiv, hieß es in einer Anfang August veröffentlichten DIW-Studie. "Für Deutschland stehen die Signale zumindest auf Gelb", so die Autoren. Preissteigerungen werden der Studie zufolge zur Gefahr, wenn Investoren Wohnungen nicht zur eigenen Nutzung kaufen, sondern auf höhere Preise setzten und das vornehmlich durch Kredite finanzierten.

Wohngebäude in Berlin

Wohngebäude in Berlin. Das Preiswachstum hat sich laut DIW in großen Städten zuletzt verlangsamt, weshalb das Risiko einer Immobilienblase sinke.

Dennoch: Hierzulande würden Wohnungskäufe weiterhin relativ solide finanziert, so das DIW. Zudem habe sich das Preiswachstum in großen Städten zuletzt verlangsamt, weshalb das Blasen-Risiko sinke.

Allenfalls bestehe eine Überhitzung einiger Teilmärkte. Die meisten Käufe seien durch eine reale Nachfrage untermauert. Die meisten Käufer sind Eigennutzer. Aber: "Mit steigender Nachfrage steigen die Preise und sinken die Renditen", so Hegenbarth.

Wie entwickelt sich der soziale Wohnungsbau?

Aber was ist den vielen Menschen, die sich keine Eigentumswohnung leisten können? Als Regulativ treten immer wieder staatliche Institutionen auf, um Mieter in begehrten Lagen zu schützen. Zum Beispiel in Hamburg - aber auch in Berlin - machte der Senat zuletzt von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und entzog dem Markt so mögliche Objekte zur Luxussanierung und Spekulation.

In Deutschland schrumpft der Bestand der Sozialwohnungen jedoch. Der GdW teilte Anfang August nach Auswertung seiner Jahresstatistik mit, dass es im Jahr 2018 nur noch schätzungsweise 1,18 Millionen Wohnungen mit Preisbindung gegeben habe. Im Jahr 2002 seien es noch rund 2,5 Millionen Wohnungen gewesen.

Grund ist unter anderem, dass die Bindungen für preisgebundene Wohnungen auslaufen. Sie gelten je nach Bundesland zwischen zwölf und zwanzig Jahre. Da zuletzt immer weniger Sozialwohnungen gefördert und gebaut wurden, geht der Bestand zurück.

Was sind die Probleme beim Bau?

Genehmigungen, Verordnungen, Auflagen – zum Beispiel für energieeffizientes Wohnen. Beim Bauen lernt man die Verwaltung kennen. Dazu kommen Grunderwerbssteuer und Grundsteuer. Versicherungen. Kredite. All das kostet Geld - zusätzlich zu den eigentlichen Kosten für Architekten, Handwerker und das Material für das Bauwerk und das Grundstück.

"Bei der Baukostenentwicklung haben wir einen massiven Anstieg von über 60 Prozent seit 2000 gehabt", sagt GdW-Hauptgeschäftsführerin Esser. "Die Baukapazitäten sind nicht mehr ausreichend vorhanden, um das abzudecken, was am Markt nachgefragt wird." Egal ob bei Neubauten und bei Modernisierungen - es bestehe ein "absoluter Kapazitätsengpass".

In den vergangenen zehn, 15 Jahren sind keine entsprechenden Kapazitäten aufgebaut worden. "Ganz im Gegenteil wurden Kapazitäten abgebaut, weil vermittelt wurde, dass Deutschland fertig gebaut sei und dass die Bevölkerung zurückgehen würde", so Esser. "Das war eine krasse Fehleinschätzung."

Warum fehlt das Bauland?

Als starker Treiber für die Preisentwicklungen machen die Verbände das fehlende Bauland aus. Wegen der Fehleinschätzung der demografischen Entwicklung hätten die Kommunen zuletzt zu wenig Bauland ausgewiesen. "Dem entgegen zu wirken dauert. Neues Wohnbauland auszuweisen, das kann man nicht in drei, vier Jahren leisten", so Esser vom GdW. "Die Kommunen müssen Baulandreserven haben, die sie im Zweifel einsetzen können. Und die haben sie momentan definitiv nicht mehr."

"Es kommt darauf an, die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen", sagt Hegenbarth vom IVD. Die Kommunen müssten dafür in die Personalausstattung investieren. Auch in der "Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsprozessen" sieht sie Chancen, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. "Und dann die Entschlackung von Normen und Vorschriften: Zum Beispiel könnten Aufstockungen von Gebäuden und innerstädtische Nachverdichtung erleichtert werden." Hamburg habe zuletzt eine beispielhafte Novelle verabschiedet.

Wie entwickeln sich die Mietsteigerungen bei Neuvermietungen?

Gerade in beliebten Großstadtregionen schien zuletzt manche Mietsteigerung willkürlich. Im Glück wähnen sich jene, die einen alten Mietvertrag haben. Zwar bestimmt auch bei Vermietungen von Wohnungen die Nachfrage den Markt. Dennoch gaben Gerichte immer wieder Mietern Recht, die gegen zu hohe Mieten geklagt hatten. Bezugsgröße ist in solchen Fällen der Mietspiegel beziehungsweise die ortsübliche Vergleichsmiete.

Im Jahr 2015 trat die Mietpreisbremse in Kraft. Sie gibt den Bundesländern die Möglichkeit, in Regionen mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt die Mieterhöhungen zu begrenzen. Es darf dann bei Neuvermietungen die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Ausgenommen sind Neubauten und Wiedervermietungen nach einer umfassenden Sanierung - was der Deutsche Mieterbund kritisierte. Die wahren Probleme seien mit der Mietpreisbremse noch nicht gelöst, teilte der Verband mit.

Welche Probleme gibt es bei den Bestandsmieten?

Laut Mieterbund steigen die Mieten vor allem drastisch bei Bestandsmieten. Die Politik müsse nun auch Maßnahmen ergreifen, um die Möglichkeiten für Mieterhöhungen in laufenden Verträgen deutlich einzugrenzen. Mieterbund-Chef Lukas Siebenkotten forderte, Mieterhöhungen auf nicht mehr als sechs Prozent im Zeitraum von drei Jahren zu beschränken.

Die Mieterhöhung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Zurzeit ist es so, dass eine Miete frühestens 15 Monate nach Einzug oder nach der letzten Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden kann. Innerhalb von drei Jahren darf sie aber nicht stärker als 20 Prozent steigen. In einigen Gemeinden sind es sogar nur 15 Prozent. Der Mieter kann eine Mieterhöhung ablehnen. Der Vermieter muss dann klagen.

Welchen Einfluss haben die Maklergebühren?

Dem Koalitionsbeschluss zur Mietpreisbremse zufolge teilen sich Käufer und Verkäufer künftig die Gebühren für den Makler. Die sind je nach Region durchaus unterschiedlich. In Hessen liegt die Maklercourtage bei 5,95 Prozent des Immobilienpreises, in Hamburg bei 6,25 Prozent und in Berlin und Brandenburg bei 7,14 Prozent. Im Süden und Westen des Landes teilten sich Käufer und Verkäufer die Gebühren sowieso schon. Entlastet werden durch die Neuregelung nun vor allem Käufer im Norden und Osten des Landes.

Experten erwarten, dass die Provisionen nun insgesamt sinken werden. Verkäufer würden bessere Preise aushandeln oder auf Makler verzichten, ist die Annahme. 500.000 Wohnimmobilien wechseln nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes jedes Jahr den Eigentümer. In fast zwei von drei Fällen seien Makler beteiligt.

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