Protest in Griechenland Wer es sich noch leisten kann, der streikt

Stand: 26.09.2012 15:06 Uhr

Die landesweiten Streiks haben weite Teile Griechenlands quasi lahmgelegt. Doch es beteiligen sich vor allem diejenigen, die noch feste Jobs haben. Die Ausstände könnten einen heißen Herbst einleiten - denn der Spardruck lässt nicht mal im Ansatz nach.

Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

"Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will", heißt es in einem alten Arbeiterlied. In Griechenland ist der Arm der Werktätigen im Herbst 2012 nicht mehr stark.

Lakonisch ausgedrückt: Wer es sich leisten kann, der streikt heute in Hellas. Wer noch einen festen Job hat, wer bei einem Großunternehmen arbeitet, beim Staat oder einer Kommune angestellt ist, der tritt in den Ausstand. Zum Beispiel: Lehrer, Lokführer, Hafenarbeiter, Bankangestellte. Alle Behörden, Ämter und Ministerien bleiben geschlossen. Viele Tausend Arbeitnehmer werden diesem Streikaufruf folgen.

Streiken oder nicht streiken?

Auch Yannis Papasotiriou streikt. Er sei immer auf der Seite der Demonstranten, sagt er, das sei seine generelle Haltung. Papasotiriou meint, so könne es nicht weitergehen. Jedes Jahr würden die Löhne und die Renten um zehn bis 15 Prozent gesenkt. Jedes Jahr bekämen die Bürger neue Steuern und Abgaben aufs Auge gedrückt.

Nikos Mafioudakis streikt nicht. Der 48-Jährige sieht keinen Sinn in dem Arbeitskampf, weil alles bereits entschieden sei. Es so völlig egal, ob Streik oder nicht, das Ergebnis sei gleich.

Das Haushaltsloch ist weiter riesengroß

Griechenland muss weiter sparen. Auf knapp 30 Milliarden Euro belaufen sich die Haushaltskürzungen und Einsparungen der vergangenen Jahre. Die Hellenen haben sich zu Europas Sparmeistern entwickelt. Aber es reicht noch nicht. Im Haushalt klafft ein Loch von mindestens 13 bis 14 Milliarden Euro. Um das zu stopfen, werden Wahlversprechen gebrochen: Keine Lohnkürzungen, keine Rentensenkungen, keine neue Steuern hattten die drei Koalitionsparteien vollmundig vor dem Urnengang im Juni verspro­chen. Nun geht es der Regierung Samaras darum, den Griechen jene von der Troika verordnete Spartherapie als zwar bittere aber notwendige Medizin zu verkaufen.

Viele Geschäfte, Tavernen, und Privatunternehmen werden nicht bestreikt. Der Tourismus - als wichtigste Branche Griechenlands - dürfte in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Streik, sagt die chinesische Touristin Mary Xu, sei für sie ein großes Problem. Wegen ihm sei sie einen Tag früher als gebucht abgereist. Eine Entschädigung für die bereits bezahlte Nacht habe sie nicht bekommen.

Der Herbst könnte heiß werden

Der heutige Streik dürfte nur der Auftakt zu einem heißen politischen Herbst in Griechenland sein. Gewerkschaften und das linke Oppositionsbündnis Syriza haben hefti­gen Widerstand gegen die neue Sparrunde angekündigt, ohne die Athen nicht mit Hilfe internationaler Geldgeber rechnen kann. Konkret geht es um 31 Milliarden Euro. Bleiben die aus, geht Hellas pleite.