Stimmung in Athen nach Abstimmung Wut auf "die da drinnen"

Stand: 13.02.2012 18:13 Uhr

Athen am Tag nach Abstimmung und Straßenschlacht: Die Menschen sind entsetzt über die Gewalt, wütend auf die Politik - und sie hoffen auf bessere Tage. Die Schuld an den Schulden geben sie "denen da drinnen", gemeint ist das Parlamentsgebäude.

Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Die Nacht war schlimm in Athen. Dutzende Häuser wurden abgefackelt, mehr als 170 Menschen teils schwer verletzt. Das Zentrum Athens glich stellenweise einem Schlachtfeld. Bürgermeister Giorgos Kaminis beklagt die enormen Schäden. Viele Bürger sind ob der rohen Gewalt entsetzt.

Ex-Marineoffizier Petros Dogas kocht am Tag nach Abstimmung und Straßenschlacht noch immer vor Zorn. Aber nicht auf die Krawallmacher ist er wütend, sondern auf die Politiker, die das einschneidende Sparprogramm mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen haben. "Was die gemacht haben, war noch lange nicht genug. Eine Million Griechen hätten da draußen sein müssen. All die Idioten wie ich waren nicht da, wir hätten nichts stehen lassen sollen. Nicht ein Stein, nicht das Parlament, weil das alles Verräter sind. Nenne mir nur einen, der kein Verräter ist."

"Griechenland wird niemals sterben"

Heute war es weitgehend ruhig in Athen. Ein Tag mit Staus, U-Bahnverkehr, und gemischten Gefühlen. Der Architekt Nikos Markou hat mit Freunden heftig über das neue Programm und die Lage seines Landes diskutiert. Es steht nicht gut um Hellas, darin sind sich viele einig. Aber: "Griechenland wird niemals sterben. Es ist sehr traurig, zu sehen, was hier passiert. Das ist nicht die Schuld der Leute. Das ist die Schuld von denen da drinnen. Alles hat mit denen begonnen, das ist schon Jahre her. Ich glaube daran, dass wir überleben und bessere Tage sehen werden."

Dieser Überzeugung ist auch EU-Währungskommissar Olli Rehn. Er ist erleichtert über die Athener Entscheidung. "Die gestrige Abstimmung im griechischen Parlament war ein entscheidender Schritt in Richtung Annahme des zweiten Hilfsprogramms. Ich bin zuversichtlich, dass die anderen Bedingen auch noch erfüllt werden bis zum nächsten Treffen der Euro­grup­pe, die dann über das neue Hilfspaket entscheiden wird."

Zu den anderen Bedingungen gehört noch, dass Athen in diesem Jahr weitere 325 Millionen Euro einspart. Wie? Das wird der Phantasie von Regierungschef Lukas Papademos überlassen. Zu guter Letzt muss sich Athen noch mit den privaten Gläubigern auf die Streichung von 50 Prozent der privaten Schulden verständigen. Um mindestens 100 Milliarden Euro Ausstände soll Griechenland erleichtert werden. Am Mittwoch will sich die Eurogruppe treffen, um dann vielleicht das neue Hilfspaket für Griechen­land über 130 Milliarden Euro zu beschließen.