Gewerkschaftsmitglieder der GDL stehen mit Fahne und Transparent vor dem Erfurter Hauptbahnhof.
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GDL und Deutsche Bahn So könnte es im Streik bei der Bahn weitergehen

Stand: 25.01.2024 19:17 Uhr

Die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft stehen sich aktuell unversöhnlich gegenüber. Wie könnte es noch weitergehen? Gibt es noch mehr Streik? Die Szenarien im Überblick.

Von Alina Leimbach, ARD-Finanzredaktion

Der voraussichtlich längste Bahnstreik der Geschichte der Deutschen Bahn läuft. Nach Angaben der Deutschen Bahn fahren wegen des Streiks der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) im Tarifkonflikt nur etwa 20 Prozent der regulären Züge. Für Donnerstag wurden von Seiten der GDL erneut in verschiedenen Städten in Deutschland Kundgebungen und Aktionen angesetzt, etwa in Stuttgart, Halle, Hamburg und Erfurt.

Die Ausgangsposition

Zuletzt hatte die GDL ein drittes Angebot der Deutschen Bahn AG zurückgewiesen; auch die Bahn war nicht auf ein Gesprächsangebot der GDL eingegangen. Der Tarifstreit dreht sich neben Entgeltforderungen vor allem um die Arbeitszeit. Die GDL fordert eine schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibenden Löhnen und Gehältern. Die Bahn lehnt das ab. Sie hat im Rahmen eines Wahlmodells bisher eine einstündige Absenkung auf 37 Stunden angeboten unter Verzicht auf eine Entgelterhöhung ab 1. Januar 2026 um 2,7 Prozent mehr Geld.

Erst am kommenden Montagabend um 18 Uhr soll der Ausstand enden, Nachwirkungen können Reisende aber auch am Dienstag noch spüren. Die Fronten scheinen verhärtet. Wie könnte es weitergehen? Und wie realistisch sind die Optionen?

1. Beide Seiten bleiben hart

Derzeit lehnt die GDL das Angebot der Bahn als viel zu schlecht für Verhandlungen ab. "Veralberungstaktik", sagte GDL-Chef Claus Weselsky dazu. Zudem verweist die GDL auf andere Bahnbetreiber, mit denen sie zuletzt bereits Abschlüsse erzielt hat - ohne dass es dort zu Streiks gekommen ist.

Da es in Deutschland keine Schlichtungsverpflichtung gibt, kann die GDL nach diesem Streik zu weiteren Streiks aufrufen - theoretisch so lange und so oft, wie sie es möchte. Die Mitglieder hatten sich im Dezember in einer Urabstimmung mit 97 Prozent Zustimmung für unbefristete Streiks ausgesprochen. Sollte es nochmal Streiks geben, könnte dieser sogar noch drastischer ausfallen, um den Druck auf die andere Seite zu erhöhen.

Allerdings kommt es auch darauf an, ob der Gewerkschaft nicht das Geld ausgeht. Die GDL zahlt Streikgeld an ihre Mitglieder als anteiligen Lohnersatz für deren Streikteilnahme. Bei der GDL seien dies zehn Euro pro Stunde und maximal 100 Euro Streikgeld pro Schicht, hatte GDL-Chef Claus Weselsky kürzlich in einem "Stern"-Interview erklärt. Die genaue Höhe der Ausgaben für das Streikgeld ist unklar, weil die GDL nicht veröffentlicht, wie viele Personen sich am Streik beteiligen. Insgesamt geht es bei den aktuellen Verhandlungen mit der Bahn um 10.000 Beschäftigte. Die Kosten für das Streikgeld könnten daher bereits jetzt in Millionenhöhe liegen, rechnen Experten.

Für eine Gewerkschaft mit gerade einmal 40.000 Mitgliedern ein enormer Ausgabenposten. Die Kosten für das Streikgeld kann die GDL zwar anteilig bei Deutschen Beamtenbund (dbb) geltend machen, weil dies die Dachgewerkschaft ist und es einen entsprechenden Beschluss gibt. Allerdings geht die GDL für die Zahlungen in Vorleistung. Das könnte einem allzu langen Streik eine finanzielle Obergrenze setzen.

2. Es gibt eine Schlichtung

Eine Schlichtung in einem Tarifstreit ist in Deutschland freiwillig. Beide Seiten müssen dem Verfahren zustimmen. Das ist aktuell nicht der Fall, die GDL lehnt ein solches Verfahren - Stand jetzt - ab. Allerdings können Unternehmen und Gewerkschaften Zusatzvereinbarungen zu einer Schlichtung abschließen. In diesem Fall reicht es, dass nur eine Seite eine Schlichtung verlangt. Eine Vereinbarung zwischen GDL und Bahn mit einer Pflicht zur Schlichtung hat die DB 2021 auslaufen lassen.

2015 bei einem früheren Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL waren solche Schlichter der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck von der SPD. Ramelow sagte nun aber: "Es gibt kein schlichtungsfähiges Angebot." Stattdessen versuche der Bahn-Vorstand immer wieder, juristisch gegen die GDL vorzugehen.

Wenn der Streik noch teurer wird, könnte aber auch die Dachgewerkschaft dbb auf eine Schlichtung drängen. Das war bereits 2015 der Fall. Noch sagt ein Sprecher des dbb aber: "Stand jetzt ist es kein Thema, dass der dbb sich in den Konflikt einmischt."

3. Die Politik mischt sich ein

Die Kritik aus der Politik ist prominent. So etwa von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der bemängelte, dass seit Wochen keine Verhandlungen mehr zwischen Gewerkschaft und Bahn stattfinden. Die Politik ist allerdings nicht ganz so unbeteiligt am Geschehen, wie sie es gerade tut. Denn die Deutsche Bahn AG ist zu einhundert Prozent im Staatsbesitz. Im Aufsichtsrat sitzen auf der Arbeitgeberseite zahlreiche Politiker, darunter Vertreter sowohl aus dem Verkehrs- als auch Wirtschaftsministerium. Diese können Druck auf den Bahnvorstand ausüben, etwa dass der ein verbessertes Angebot vorlegt, um wieder an den Verhandlungstisch zu kommen. Wird wieder verhandelt, gilt wiederum Friedenspflicht. Dann dürfte also erst einmal für die Dauer der Verhandlungen nicht erneut gestreikt werden.

Eine zweite Option der Politik ist es, sich gesetzgeberisch einzuklinken. Einige Arbeitsrechtler glauben, dass es möglich sein könnte, beide Seiten per Gesetz zu einem Schlichtungsversuch zu verpflichten, wenn dies eine der Seiten beantragt. "Verfassungsrechtlich gibt es aus meiner Sicht überhaupt kein Problem, ein Schlichtungsverfahren auch mit Einlassungszwang zu schaffen", sagt Clemens Höpfner, geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität Köln. Die Idee, dass Schlichtung damit einhergehen soll, dass das Ergebnis angenommen werden muss, halten Arbeitsrechtler dagegen für nicht mit der Verfassung vereinbar. Bis so eine mögliche Gesetzesänderung durch ist, würden allerdings Monate vergehen. Im Koalitionsvertrag vorgesehen ist das zudem nicht.

4. Die Bahn macht ein besseres Angebot

Der vermutlich schnellste Weg, um den aktuell laufenden Streik zu beenden, wäre ein neues Angebot von Seiten der Bahn beziehungsweise ihres Arbeitgeberverbands AGV Move. Auf Anfrage, ob dies geplant sei, heißt es von der Bahn ausweichend: "Wir haben der GDL die Hand gereicht, sie antwortet mit einem sechstägigen Streik." Man habe bereits große Zugeständnisse gemacht, nun liege alles auf dem Tisch. "Ein überdurchschnittlicher Gehaltsabschluss und eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Gehalt", sagte ein Bahnsprecher tagesschau.de. Dennoch ist zu erwarten, dass es ein neues Angebot der Bahn geben wird.

5. Der juristische Weg

Diese Option scheint vom Tisch. Zuletzt war die Bahn in zweiter Instanz vor dem hessischen Landesarbeitsgericht gescheitert mit ihrem Versuch, die GDL für nicht tariffähig zu erklären. Das hätte den Streik verhindert. Ein neuer Anlauf vor Gerichten ist nicht geplant, sagte ein Bahnsprecher auf tagesschau.de-Anfrage: "Die DB wird gegen den sechstägigen GDL-Streik keine Rechtsmittel einlegen. Eine einstweilige Verfügung zu erwirken ist nach rechtlicher Prüfung aktuell nicht geplant."

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