Hintergründe zu den zähen Verhandlungen Was sind die Probleme bei der EADS-BAE-Fusion?

Stand: 09.10.2012 11:18 Uhr

In der Theorie hört sich der Plan von EADS und BAE spektakulär an: Die beiden Konzerne wollen nach einer Fusion neue Nummer 1 der Luftfahrt- und Rüstungsbranche werden. Aber seit Wochen ringen vor allem Deutschland und Frankreich um ihren künftigen Einfluss. tagesschau.de erklärt, warum die Verhandlungen stocken.

Von Fabian Grabowsky, tagesschau.de

Worum geht's?

Alles begann mit einer Überraschung: Der deutsch-französische Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS und sein britischer Konkurrent BAE Systems gaben am 12. September bekannt, dass sie fusionieren wollen. Für EADS ist eine Mehrheit von 60 Prozent vorgesehen, für BAE 40 Prozent. An der Börse wollen beide weiter getrennt auftreten.

So soll ein neuer weltweiter Branchenprimus in der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie entstehen. Beide Konzerne brachten es 2011 zusammen auf rund 72 Milliarden Euro Jahresumsatz und 220.000 Beschäftigte. Der Fusionskonzern wäre viel größer als der bisherige Spitzenreiter, der US-Konzern Boeing.

Die Verhandlungen stocken aber, weil Deutschland und Frankreich mit Großbritannien um ihren künftigen Einfluss ringen. Alle drei Regierungen müssen einer Fusion zustimmen. Und am Ende muss noch die EU-Kommission Ja sagen.

Warum eine Fusion?

Hintergrund ist der Druck auf Rüstungsunternehmen angesichts schrumpfender Wehretats - Experten erwarten in der Branche weitere Fusionen. Bei EADS und BAE geht es unter anderem auch darum, den US-Markt zu erschließen. Hier hatte EADS im vergangenen Jahr eine böse Pleite erlebt: Die Air Force vergab nach langem Hin und Her einen riesigen Auftrag für Tankflugzeuge an den amerikanischen EADS-Erzfeind Boeing. BAE ist in den USA hingegen erfolgreich.

EADS-Chef Tom Enders sagte vergangene Woche der "Bild"-Zeitung, eine ausbleibende Fusion wäre das größere Risiko: "Entweder wir bauen Arbeitsplätze ab oder wir erschließen international neue Märkte."

Was charakterisiert EADS?

Der Schwerpunkt des deutsch-französische Konzern mit seinen rund 133.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von ungefähr 49 Milliarden Euro (2011) liegt bei der Tochter Airbus, die seit Jahrzehnten mit Boeing um die Marktführerschaft in der zivilen Luftfahrt ringt und dabei meistens besser abschneidet. Er produziert zwar auch Militärflugzeuge und -hubschrauber - allerdings mit durchwachsenem Erfolg.

EADS steht stark unter politischem Einfluss: Deutschland und Frankreich haben jeweils direkte oder indirekte Anteile von mehr als 22 Prozent. Die deutschen Interessen nimmt der Autokonzern Daimler mit 15 Prozent wahr, der sich aber von seinen Anteilen trennen will. Frankreich hält 15 Prozent, der als staatsnah geltende Konzern Lagardère 7,5 Prozent. 

Und BAE?

BAE Systems ist anders als EADS ein reiner Militärkonzern. Die Briten leiden unter den wegen der Krise zusammengestrichenen Wehretats. Der Konzern hatte 2011 einen Umsatz von rund 24 Milliarden Euro und 90.000 Beschäftigte. Staatliche Großaktionäre gibt es nicht - London hat bei BAE aber eine "Goldene Aktie". Mit dieser kann sie jeden möglichen Versuch eines Investors blockieren, bei BAE mehr als 15 Prozent zu übernehmen.

Was sind die deutschen und französischen Interessen?

Frankreich könnte laut Medienberichten einen Neun-Prozent-Anteil an dem neuen Unternehmen akzeptieren. Das entspräche dem bisherigen französischen 15-Prozent-Anteil an EADS. Das fänden demnach auch die Briten akzeptabel. Präsident François Hollande fordert laut Medienberichten aber, dass sein Land weitere Anteile kaufen kann - beispielsweise vom Lagardère-Konzern. Das wiederum schließen die Briten aus. Der Großaktionär Arnaud Lagardère wiederum ist kein Fusionsfan: Die Bedingungen seien unbefriedigend, die Pläne müssten überarbeitet werden.

Die Bundesregierung schweigt bislang. Laut Medienberichten will sie aber aus Gründen der Machtbalance einen Anteil, der so groß wie der französische ist - so wie jetzt schon bei EADS. Dazu könnte die Regierung über die staatliche KfW-Bank Anteile von Daimler kaufen. Außerdem soll die Firmenzentrale, mindestens aber ein wichtiger Unternehmensteil nach Deutschland kommen. Wahrscheinlich wird die Flugzeugbauzentrale nämlich in Toulouse und die für Verteidigungstechnik in London sitzen.

Was will die britische Regierung?

Die britische Regierung ist dafür, dass die deutschen und französischen Staatsanteile bei EADS jetzt schon so stark reduziert werden, dass beide ihren entscheidenden Einfluss verlieren. Anderenfalls werde die Fusion über ihre "Goldene Aktie" bei BAE blockiert, berichtet die BBC. Für einen stabilen Anteil von jeweils neun Prozent würde es aber laut Medienberichten grünes Licht geben. Grundsätzlich ist die Regierung aber gegen Staatsbeteiligungen – sie befürchtet, dass sie bei internationalen Kunden schlecht ankämen.

Der größte BAE-Aktionär, der Investmentfonds Invesco Perpetual, ist gleich ganz gegen eine Fusion. Er hält 13,3 Prozent bei dem Rüstungskonzern. Die starke BAE-Position in den USA sei gefährdet, auch durch die möglichen Staatsbeteiligungen.

Und was sagt EADS?

EADS-Chef Enders ist der nächste Gegner von Staatsbeteiligungen: Er hatte schon immer wieder einen zu großen Regierungseinfluss in seinem Unternehmen beklagt. Sein Ziel ist es, dass dieser in dem Fusionsunternehmen gegen Null geht. Enders befürchtet wie die britische Regierung, dass das neue Unternehmen international schlechte Chancen haben könnte, wenn es als zu regierungsnah gilt.

Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass er der Bundesregierung von einem Einstieg bei dem EADS/BAE-Konzern abrät. "Das würde Milliarden an Steuergeldern verschlingen", sagte er der "Bild". Er versucht, die Fusion den Regierungen stattdessen mit Arbeitsplatzgarantien für die 50.000 deutschen EADS-Mitarbeiter und einer "Goldenen Aktie" schmackhaft zu machen, mit der sie unliebsame Fusionen verhindern könnten.

Was muss bis Mittwoch passieren?

Bis Mittwoch muss BAE den britischen Behörden ein Zwischenergebnis melden. Das schreibt das dortige Börsenrecht vor. Theoretisch könnte es bis dahin eine Einigung geben. Das wird aber wohl nicht passieren - der britische Verteidigungsminister Philip Hammond sagte, er sehe dafür keine Chance. Eine andere Möglichkeit wäre: Die Beteiligten räumen ihr Scheitern ein.

Am wahrscheinlichsten ist aber: Sie erklären, dass sie weitere an einer Lösung arbeiten und nur eine Fristverlängerung um 28 Tage brauchen. Auch dafür müsste es aber erst grünes Licht von den rangelnden Regierungen geben.

Und dann?

Das ist unklar. Möglicherweise kann EADS den Regierungen einen Verzicht auf nennenswerte Staatsanteile mit den "Goldenen Aktien" schmackhaft machen. Das wiederum dürfte der EU-Kommission nicht gefallen, die von solchen Vereinbarungen wenig hält.

Konzernchef Enders' Optimismus scheint jedenfalls nach dem Hickhack der vergangenen Wochen begrenzt zu sein: Die "Financial Times Deutschland" zitiert ihn unter Berufung auf Branchenkreise, die Chancen für eine Fusion stünden bei 50:50.