Medwedjew bei EU-Russland-Gipfel Es geht um Wirtschaft - weniger um die Wahl

Stand: 15.12.2011 01:30 Uhr

Die Themen des EU-Russland-Gipfels sind vielfältig: Visa-Erleichterungen, Energiepolitik und der WTO-Beitritt Russlands stehen auf der Agenda. Doch russische Oppositionelle und EU-Parlamentarier wollen eine Debatte über die umstrittene Duma-Wahl. Danach sieht es aber nicht aus.

Von Stephan Laack, ARD-Hörfunkstudio Moskau

Die russische Tageszeitung "Kommersant" klagte bereits: Ausgerechnet die zurückliegende Duma-Wahl würde den EU-Russland-Gipfel in Brüssel überschatten. Dabei gebe es doch so viele andere wichtige Themen: Visa-Erleichterungen, der bevorstehende Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO oder beispielsweise die sogenannte Modernisierungspartnerschaft.

In einer Resolution fordern die Abgeordneten des Europaparlaments Neuwahlen und eine unabhängige Untersuchung aller entdeckten Fälle von Wahlfälschung. Russland müsse faire und freie Wahlen mit Beteiligung aller Oppositionsparteien zulassen. Bei der zurückliegenden Parlamentswahl seien europäische Standards für faire und freie Wahlen verletzt worden. All dies müsse auf dem EU-Russland-Gipfel in Brüssel zur Sprache gebracht werden. Präsident Dimitri Medwedjew traf dort bereits am Abend mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zusammen.

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow hatte anscheinend schon geahnt, dass der letzte Gipfelbesuch Medwedjews in Brüssel von unangenehmen Fragen zur gefälschten Parlamentswahl überschattet sein könnte. Tschischow zeigte sich diesbezüglich aber demonstrativ gelassen: "Soweit ich weiß, steht das Thema nicht auf der Tagesordnung. Aber falls unsere Partner irgendwelche Fragen dazu stellen möchten, so schränkt niemand die Liste möglicher Fragen ein, über die die Spitzen der EU und Russlands diskutieren können."

Opposition fordert harte Haltung gegenüber Russland

Der ehemalige russische Regierungschef Michail Kasjanow, dessen Partei Parnass bei der Parlamentswahl nicht zugelassen war, hat die EU zu einer harten Haltung gegenüber Russland aufgerufen. Russland dürfe nicht als seltsames und zur Hälfte brutales Land angesehen werden, in dem die Verletzung rechtsstaatlicher Normen normal sei. Die EU dürfe nicht auf Realpolitik setzen, sondern müsse gegenüber der Regierung von Premier Wladimir Putin ihre Werte vertreten.

Die russische Regierung rechnet anscheinend nicht damit. Der Vizechef des auswärtigen Ausschusses der Duma, Klimow, meinte, die EU-Kommission würde sich nicht durch die "propagandistischen Äußerungen" der EU-Parlamentarier irritieren lassen. Themen wie Afghanistan, Visapflicht oder der Energiedialog seien viel wichtiger.

Wichtiges Thema: Energiepolitik

Russland stört sich vor allem an dem dritten Energiepaket der EU. Danach soll der Zugriff des russischen Gasmonopolisten Gazprom auf sein europäisches Gasleitungsnetz begrenzt werden. Durch den anstehenden Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO würde die Position Moskaus gestärkt, meint der Wirtschaftsexperte Portansky: "Bei der WTO gilt doch ein Prinzip. Die bisherigen Handelsbeziehungen dürfen sich nicht verschlechtern. Das bedeutet, dass wir uns an die WTO wenden und einfordern können, dass die Situation beim Gashandel nicht schlechter werden darf, als das momentan der Fall ist."

Nach Meinung vieler Beobachter wäre es kein gutes Signal, ausgerechnet nach der umstrittenen Parlamentswahl wieder zur Tagesordnung überzugehen. So meint etwa der Grünen-Abgeordnete des Europaparlaments, Werner Schulz, eine Modernisierungspartnerschaft mit Russland mache nur Sinn, wenn der Russische Staat bereit sei, eine solche Modernisierungspartnerschaft mit der eigenen Bevölkerung einzugehen. Dies bedeute eine Erneuerung der Gesellschaft durch mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Bürgerrechte.