Kolumne Euroschau Wieder einmal durchgewurschtelt

Stand: 22.01.2015 15:22 Uhr

Die EZB hat verkündet, Staatsanleihen zu kaufen. Doch bereits jetzt ist massenweise billiges Geld im Umlauf - ohne dass investiert wird. Auch rechtlich ist der Plan umstritten. Mal wieder alles unklar bei der EZB.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Die Devisenhändler trauten ihren Augen nicht: Binnen weniger Sekunden schoss der Kurs des Schweizer Franken zum Euro um mehr als 30 Prozent in die Höhe. Kein Rechenfehler, kein Angriff von Spekulanten - nein, die altehrwürdige Schweizerische Notenbank war verantwortlich für diesen Zahlen-Zauber. Ohne Warnung kappte sie in der vergangenen Woche das Band des Franken zum Euro. Das war im Zuge der Euro-Krise 2011 geknüpft worden.

Damals flüchteten die Anleger aus Angst vor dem Zusammenbruch des Euro in den vermeintlich sicheren Franken. Der wurde immer mehr wert. Ob Schokolade, Uhren oder Käse: Die Schweizer Export-Wirtschaft wurde ihre Waren kaum noch los, weil zu teuer. Die Tourismus-Industrie zählte leere statt volle Betten.

Den Schweizern wurde es zu heiß

Jahrelang druckten die Notenbanker deshalb Franken und kauften Euro. Damit konnten sie den Wechselkurs stabil halten. Jetzt wurde es aber selbst den Zentralbankern an der Notenpresse zu heiß. Angesichts des immer teureren Dollars und des erneuten Ansturms auf den Franken waren die Eidgenossen nicht bereit, noch mehr Geld nachzuschießen.

Der Zeitpunkt der Entkoppelung kam zwar überraschend, er ist aber völlig verständlich. Nur ein Tag zuvor hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs grünes Licht für den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB gegeben. Das war zwar noch kein Urteil zu anhängigen Klagen. Aber eine wichtige Vorentscheidung.

Koppelung des Franken nicht länger zu halten

Seitdem ist sicher: Die EZB wird diese Woche Staatsanleihen in großem Stil kaufen - oder das zumindest ankündigen. Weil der Euro-Kurs dadurch weiter unter Druck gerät, blieb den Schweizern gar nichts anderes übrig als zu handeln. Die Koppelung war nicht länger zu halten. Noch ist unklar, ob die EZB selbst kauft oder die nationalen Zentralbanken.

Das Ziel ist hingegen klar: Mit dem Kauf von Staatsanleihen will die EZB die fallende Inflationsrate hochtreiben. Es herrscht Furcht vor gefährlicher Deflation. Im Dezember sind die Preise im Euroraum sogar schon gefallen. Die Inflationsrate lag bei minus 0,2 Prozent.

Die Währungshüter der EZB möchten Staatsanleihen bei Geschäftsbanken kaufen. Die sollen das eingenommene Geld nutzen, um günstige Kredite an Unternehmen weiterzugeben. Dadurch zieht die Wirtschaft an, es wird mehr produziert, die Preise steigen, dadurch steigt die Inflationsrate.

Schon jetzt ist billiges Geld massenweise im Umlauf

Ob das in der Praxis so geschieht, ist keineswegs ausgemacht. Schon jetzt gibt es billiges Geld in Hülle und Fülle. Die Unternehmen nehmen dennoch kaum Kredite auf. Das Problem liegt nicht im mangelnden Angebot an Krediten, sondern in der mangelnden Nachfrage. Weil die Unternehmen kein Vertrauen in die Zukunft haben, investieren sie nicht. Da kann der Kredit noch so günstig sein.

Das wirkliche Ziel der Maßnahme ist daher ganz anderer Natur: Mit Kauf der Staatsanleihen kommt mehr Geld in Umlauf. Die Gemeinschaftswährung verliert bereits seit Wochen in Erwartung der Entscheidung deutlich an Wert. Dadurch werden Exporte ins außereuropäische Ausland viel billiger. Die Wirtschaft zieht an, die Preise steigen wieder, dadurch steigt die Inflation.

Wert des Euro soll gedrückt werden

Im Kern geht es der EZB also darum, den Außenwert des Euro zu drücken. Offiziell darf sie das nicht sagen, denn die Zentralbank betreibt keine Währungspolitik. Auch fördert es nicht gerade das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung, wenn die eigene Notenbank alles daran setzt, sie zu schwächen. Doch genau das ist die Absicht der Zentralbanker.

Wenn dieser Mechanismus tatsächlich funktioniert, wäre die Basis für langsame Normalisierung gelegt. Denn erst eine wieder anziehende Inflation ermöglicht es der EZB, die Zinsen irgendwann wieder steigen zu lassen. Bis dahin dürften allerdings noch Jahre vergehen.

Verkappte Staatsfinanzierung?

Ungeklärt ist und bleibt weiterhin, ob das Vorhaben rechtlich zulässig ist. Die EZB sieht den Kauf von Staatsanleihen über die Banken durch den Maastrichter Vertrag gedeckt. Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof drückt beide Augen zu. Gegner sehen das anders. Sie interpretieren die Käufe als verkappte Staatsfinanzierung, die nach dem Maastrichter Vertrag verboten ist.

Wieder einmal ist also alles unklar, unsicher und ungeklärt. Wieder einmal hat sich die EZB in eine Position gebracht, die Gemeinschaftswährung irgendwie durchzuwurschteln. Viele Anleger gehen da lieber auf Nummer sicher. Sie drehen dem Euro den Rücken und investieren in den vermeintlich sicheren Hafen Schweizer Franken. Das kann schrecklich schief gehen. Die Schweizer Substanz zerbröselt. Wieder bleiben sie auf Schokolade, Uhren und Käse sitzen und wieder bleiben die Betten leer.

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