EU bewertet Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer Sorge um Spanien, Kritik an Deutschland

Stand: 30.05.2012 21:38 Uhr

Als Konsequenz aus der Eurokrise analysiert die EU-Kommission kontinuierlich die Entwicklung der Mitglieder. Im aktuellen Bericht betont sie die angespannte Situation in Spanien - zeigte aber auch Nachsicht in punkto Haushaltsdefizit. Deutschland soll den Bankensektor stabilisieren und auf das Betreuungsgeld verzichten.

Die EU-Kommission hat sich besorgt über die finanzielle und wirtschaftliche Lage Spaniens gezeigt. "Spanien steht weiterhin vor bedeutenden politischen Herausforderungen infolge des Platzens der Immobilien- und Kreditblase", warnte die Brüsseler Behörde.

Damit "das schnelle Ansteigen der Staatsschulden" gestoppt und das Vertrauen der Finanzmärkte wieder hergestellt werden könne, seien eine weitere Konsolidierung des Haushalts und finanzielle Disziplin auf regionaler Ebene nötig.

Spanien bekommt ein Jahr mehr Zeit

Nach dem Willen der Kommission soll Spanien ein Jahr mehr Zeit zum Sparen bekommen als bislang geplant. EU-Währungskommissar Olli Rehn schlug vor, dem Land bis 2014 Zeit zu geben, das Defizit wieder unter Kontrolle zu bringen. Dazu müssten aber bestimmte Bedingungen eingehalten werden. So erwarte die Kommission einen Zwei-Jahres-Haushaltsplan für 2013 und 2014. Auch die Ausgaben der Regionen in Spanien müssten eingedämmt werden. Eine Änderung der Sparziele müsste aber noch von den EU-Finanzministern gebilligt werden.

Das von einer Rezession und einer Bankenkrise gebeutelte Land hatte sich gegenüber den EU-Partnern verpflichtet, bis 2013 seine Neuverschuldung unter die Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen.

"Spanien hat bereits entschlossen gehandelt"

Nach den verschärften Regeln des Euro-Stabilitätspakts hätte Rehn auch Sanktionen wegen nicht eingehaltener Defizitvorgaben vorschlagen können. "Spanien hat bereits entschlossen gehandelt, um Strukturreformen zu verfolgen", sagte er mit Blick auf den Umbau des Arbeitsmarktes und des Pensionssystems.

Spanien gilt aufgrund seiner Schulden, des angeschlagenen Bankensektors, der hoch verschuldeten Regionen und seiner hohen Arbeitslosigkeit als Sorgenkind der Euro-Zone und möglicher Kandidat für Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm. Die Regierung in Madrid bekräftigte bislang jedoch, sie wolle Probleme des Landes ohne europäische Hilfe lösen. In den vergangenen Tagen musste Spanien, das seine Banken mit Milliardenbeträgen stützt, an den Finanzmärkten jedoch Rekordzinsen zahlen, um sich Geld zu leihen.

Kontinuierliche Beobachtung

Die EU-Kommission nahm nicht nur Spanien unter die Lupe, sondern legte eine Analyse der wirtschaftspolitischen Situation aller 27 EU-Mitgliedsländer vor. Zudem bekamen die nationalen Regierungen auf ihre Länder zugeschnittene Empfehlungen, wie sie finanzielle und wirtschaftliche Missstände bekämpfen sollen.

Die Vorschläge der EU-Kommission sollen auf dem EU-Gipfel in einem Monat diskutiert und im Anschluss auf Fachministerebene beschlossen werden. Die Beurteilung der EU-Länder durch die Kommission ist ein Teil der Maßnahmen, die sich die Europäische Union als Konsequenz aus der aktuellen Schulden- und Wirtschaftskrise auferlegt hat.

Athen weiter von Pleite bedroht

In dem Bericht wird auch weiterhin vor einer Pleite Griechenlands gewarnt. So müssten in den kommenden Monaten zusätzliche Sparschritte für das nächste und übernächste Jahr auf den Weg gebracht werden. Fest vereinbarte Milliardenzahlungen internationaler Geldgeber könnten nur weiter fließen, falls Reformen besser in die Tat umgesetzt würden. Der Erfolg des zweiten Hilfsprogramms hänge vor allem von Griechenland ab.

Gute Nachrichten hatte die EU-Kommission für Bulgarien und Ungarn: Während auch ein laufendes Defizitverfahren gegen Bulgarien enden soll, schlägt die Brüsseler Behörde die Freigabe eingefrorener EU-Hilfsgelder für Ungarn vor. Das Land habe die notwendigen Maßnahmen eingeleitet, sein Haushaltsdefizit zu korrigieren.

Defizitverfahren gegen zahlreiche Staaten

Derzeit laufen von den 27 EU-Ländern nur gegen Estland, Finnland, Luxemburg und Schweden keine Defizitverfahren. Deutschland soll nach dem Willen der Kommission von der Liste der Haushaltssünder gestrichen und das laufende Defizitverfahren eingestellt werden. Deutschland halte die EU-Höchstmarke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) seit dem Jahr 2011 wieder ein - zwei Jahre früher als vorgegeben.

Das Verfahren gegen Deutschland war Ende des Jahres 2009 eingeleitet worden, nachdem das deutsche Defizit im Jahr 2009 bei 3,4 Prozent der Wirtschaftskraft gelegen hatte.

Kritik am deutschen Bankensystem und am Betreuungsgeld

Die EU-Kommission kritisierte Deutschland aber auch. Sie fordert, der Bankensektor müsse stabiler und die Landesbanken saniert werden. "Den Landesbanken fehlt ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell", heißt es. Als Optionen für den Umbau schlägt die EU-Kommission vor, die Landesbanken zu verkleinern, ihre Zahl zu verringern - und zu überdenken, ob öffentliche Eigentümerschaft wirklich notwendig sei.

Zudem heißt es in dem Bericht, die Pläne von Familienministerin Kristina Schröder zum Ausbau der Ganztagsbetreuung kämen nicht schnell genug voran. Frauen mit Kindern fehlen demnach dem Arbeitsmarkt. Die EU-Kommission nahm auch Stellung zum Betreuungsgeld: Hier sieht sie das Risiko, falsche Anreize zu setzen.