Fragen und Antworten zu den EU-Sanktionen Auf dem Weg in den Handelskrieg?

Stand: 29.07.2014 19:00 Uhr

Die EU macht ernst - und verhängt harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Wen treffen die Maßnahmen? Wie wird der Kreml reagieren? Droht gar ein Wirtschaftskrieg? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die EU macht ernst - und verhängt harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Wen treffen die Maßnahmen? Wie wird der Kreml reagieren? Droht gar ein Wirtschaftskrieg? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen. .

Von Heinz-Roger Dohms, tagesschau.de

Welche Sanktionen waren bereits verhängt?

Die Sanktionen gegen Russland umfassen drei Eskalationsstufen. Zunächst ging es um die Einschränkung diplomatischer Kontakte (Stufe 1). Das tat kaum jemandem weh. Dann verhängte die EU gegen erste Vertreter der Moskauer Nomenklatura Einreiseverbote, zudem fror sie deren Vermögen auf ausländischen Konten ein (Stufe 2). Das war für die Betroffenen zwar schmerzlich - fiel tendenziell aber auch noch unter die Rubrik Symbolpolitik.

Welche Sanktionen kommen neu hinzu?

Das ist im Detail noch nicht klar - denn erst Mitte der Woche sollen die 28 EU-Regierungen den Maßnahmenkatalog endgültig absegnen. Im Großen und Ganzen stehen die neuen Sanktionen aber Diplomaten zufolge fest. So soll russischen Banken, an denen der Staat mehr als 50 Prozent hält, der Zugang zu den westlichen Kapitalmärkten versperrt werden. Zudem dürfen keine Rüstungsgüter mehr zwischen Russland und der EU gehandelt werden; Produkte, die sich sowohl zur zivilen als auch zur militärischen Verwendung eignen, dürfen nicht mehr nach Russland exportiert werden. Darüber hinaus gilt ein Exportstopp für Hochtechnologie-Geräte, vor allem im Bereich der Ölförderung - ausgenommen sind Produkte für die Erdgasförderung. Die Maßnahmen sollen zunächst für ein Jahr gelten, allerdings nach drei Monaten schon zum ersten mal überprüft werden.

Wie sehr treffen die Sanktionen die russische Wirtschaft?

Auch wenn die schon geltenden EU-Maßnahmen eher symbolischer Natur waren - sie genügten bereits, um das Vertrauen vieler Investoren in die russische Wirtschaft zu untergraben. So flossen nach Angaben der Moskauer Zentralbank im ersten Halbjahr per saldo rund 75 Milliarden Dollar an Kapital aus Russland ab. Um die Kapitalflucht einzudämmen, erhöhte die Notenbank den Leitzins kürzlich auf satte acht Prozent.

Die neuen Sanktionen könnten Russland nun in die Rezession treiben - zumal der Internationale Währungsfonds ohnehin schon davon ausging, dass das russische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr sinken wird. Auch die Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit der Regierung herabgestuft - was bedeutet, dass die Zinskosten tendenziell steigen, wenn Moskau im Ausland neue Schulden aufnehmen will.

Prekär könnte der Kapitalstopp für die großen Staatsbanken Sberbank und VTB werden. Denn die beiden Institute betreiben viel internationales Geschäft und sind darum eigentlich auf frische Devisen angewiesen. Kurioserweise könnte die VTB ausgerechnet auf deutsche Kleinsparer als Refinanzierungsquelle ausweichen - jedenfalls ein Stück weit. Über ihre Tochter "VTB Direkt" sammelt das Institut hierzulande seit Jahren Tages- und Festgeld ein, per Ende 2012 waren es laut Geschäftsbericht rund 2,5 Milliarden Euro . Zuletzt wurden die Zinsangebote auffällig erhöht, um frische Spareinlagen anzuziehen. Auch die Sberbank bereitet den Eintritt in den deutschen Markt vor. Nach tagesschau.de-Informationen sondierte das Institut zuletzt bereits Kooperationen mit möglichen Vertriebspartnern, also zum Beispiel Zinsvergleichsportalen im Internet.

Wie kann sich Russland wehren?

Die russische Regierung kann auf mögliche Sanktionen jederzeit mit Gegenmaßnahmen reagieren. Das effektivste Mittel wäre, den Export von Öl und Gas in den Westen zu beschränken. Allerdings würde sich Moskau mit solch einem Schritt auch selber schaden, denn das Land ist zumindest auf mittlere und lange Sicht auf Deviseneinkünfte aus dem Energiegeschäft angewiesen. Stellungnahmen des Kreml aus den vergangenen Tagen deuten darauf hin, dass sich Moskau zunächst auf politischer Ebene revanchieren wird. So drohte die russische Regierung am Wochenende indirekt damit, die Zusammenarbeit mit dem Westen in der Anti-Terror-Politik einzudämmen.

Welche westlichen Industrien leiden unter den Sanktionen?

Das ist schwer zu prognostizieren. Die britische Finanzindustrie wird tendenziell am stärksten unter den Strafmaßnahmen gegen die russischen Banken leiden - während die Sanktionen im Rüstungs- und Hightechbereich auch der deutschen oder französischen Wirtschaft schaden dürften. Hierzulande seien vor allem Maschinenbauer betroffen, sagt Tobias Baumann, Osteuropa-Experte der DIHK. Dramatisch dürften die Auswirkungen vorerst allerdings kaum werden. Denn Ausfuhren nach Russland machen nur rund drei Prozent der gesamten deutschen Exporte aus (und für die meisten Branchen gilt das Exportverbot ja nicht) .

Droht nun ein regelrechter Handelskrieg?

Vorerst nicht. Auch wenn die EU nun "Stufe 3" eingeläutet hat, es handelt sich zunächst um eine begrenzte Eskalation. Es geht schließlich nur um einzelne Branchen. Und die Maßnahmen sind auf ein Jahr begrenzt - "ein Signal der Dialogbereitschaft", wie Baumann sagt. Vorerst geht es nur darum, der anderen Seite weh zu tun, nicht darum, einen Handelskrieg auszulösen. Trotzdem: Die Zeit der reinen Symbolpolitik ist vorbei.

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