Krisentreffen zu Griechenland Schuldenstreit wird Chefsache

Stand: 19.03.2015 07:04 Uhr

Die Gespräche zwischen Griechenland und den internationalen Geldgebern scheinen festgefahren. Am Rande des heute beginnenden EU-Gipfels wird es ein Sondertreffen zum Schuldenstreit geben. Der wird damit Chefsache. Athen räumte Liquiditätsprobleme ein.

Von Holger Romann, ARD-Hörfunkstudio Brüssel

Schonzeiten sind in der Politik relativ, zumal in der europäischen. Das muss Alexis Tsipras dieser Tage am eigenen Leib erfahren. Nicht einmal zwei Monate ist der junge, noch recht unerfahrene Mann griechischer Ministerpräsident. Doch diese zwei Monate waren für ihn und sein Land ein einziges Wechselbad aus Triumphgefühlen, Lehrstunden und Rückschlägen. Bei seinem ersten EU-Gipfel, Mitte Februar, hatte man den Neuen noch mit offenen Armen empfangen. Und das, obwohl keiner der Regierungschefs ein echter Fan seines Links-Rechts-Bündnisses ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte vor fünf Wochen, dass Europa immer darauf ausgerichtet sei, einen Kompromiss zu finden: "Deutschland ist dazu bereit", so die rhetorische Streicheleinheit der Kanzlerin damals.

Seitdem hat sich die Stimmung zwischen Brüssel und Athen, vor allem aber zwischen Athen und Berlin, radikal gedreht. Verzögerungen, gebrochene Zusagen, gegenseitige Schuldzuweisungen und Provokationen vergifteten die Beziehungen regelrecht. Auf beiden Seiten wird zwar betont, man sei grundsätzlich an sachlichen Verhandlungen und an einer Lösung der griechischen Finanzprobleme interessiert.

Griechenland räumt Liquiditätsproblem ein
Kurz vor dem EU-Gipfel hat die griechische Regierung ein Liquiditätsproblem eingeräumt. Athen brauche die Unterstützung der europäischen Partner, um einen finanziellen Engpass zu vermeiden, sagte Vizeministerpräsident Yannis Dragasakis. "Wir laufen Gefahr, ohne Geld zu bleiben." Griechenland habe seit
August keine Tranche der Geldgeber erhalten, komme aber weiterhin seinen Verpflichtungen nach.

Einem Zeitungsbericht zufolge will die Athener Regierung staatliche Versorger um Geld bitten. Demnach sollen Wasser- und Stromanbieter der für das staatliche Schuldenmanagement zuständigen Finanzagentur Geldmarktpapiere
abkaufen.

"Blumige Referate" nicht mehr gefragt

Doch der Krieg der Worte droht, die dringend nötige Überbrückung der akuten Zahlungsschwierigkeiten zu verhindern. Sogar für den sonst so abgeklärten Bundesfinanzminister ist das Vertrauen zum Duo Tsipras-Varoufakis weitgehend zerstört: "So lange das griechische Volk nicht begreift, was seine Lage ist, wird es nicht zu Lösungen kommen, die das Land in eine bessere Lage bringen", so Wolfgang Schäuble.

Seine aktuelle Analyse und die seiner Kollegen aus der Eurogruppe klingt alles andere als hoffnungsfroh. Selbst einen "Graccident" - also einen ungeplanten Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion - will Schäuble inzwischen nicht mehr ausschließen. Und auch EU-Ratspräsident Donald Tusk mahnte vor dem Gipfel ungewohnt direkt, jetzt seien keine blumigen Referate gefragt, sondern konkrete Ankündigungen.

Tsipras und die "guten Freunde Griechenlands"

Als Bezugspunkt und Rahmen weiterer Gespräche verweisen Diplomaten in Brüssel auf die Übereinkunft vom 20. Februar, durch die das EU-Hilfsprogramm um weitere vier Monate verlängert wurde und in der sich Athen verpflichtete, den Reformkurs fortzusetzen und weiter mit den sogenannten Institutionen zusammenzuarbeiten. Tsipras gibt sich optimistisch, man diskutiere mit "guten Freunden Griechenlands".

An der brisanten Lage ändert dies wenig. Zwar bediente die Regierung in Athen ihre Schulden auch in dieser Woche termingerecht - doch die Hinweise mehren sich, dass ihr das zunehmend schwer fällt. Bis Monatsende muss Griechenland insgesamt fast sieben Milliarden Euro aufbringen, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Etwa genauso so groß ist die letzte Tranche des EU-Hilfsprogramms - die allerdings erst ausgezahlt werden soll, wenn Tsipras seine Zusagen konkretisiert hat.

Die ungewollte Katastrophe verhindern

Ironischerweise ist die Griechenland-Rettung auf diesem Frühjahrsgipfel offiziell gar kein Thema. Doch alle Beteiligten sind sich im Klaren, dass es eine ungewollte Katastrophe zu verhindern gilt. Und so wurde hastig ein informelles Krisentreffen am Rande der Konferenz vereinbart. Teilnehmer neben Tsipras und Merkel: Frankreichs Präsident François Hollande, EU-Ratspräsident Tusk, Zentralbankchef Mario Draghi und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Letzterer gilt in Brüssel als Fürsprecher der Griechen und könnte als Vermittler fungieren. Er bleibe beunruhigt, gibt Juncker zu bedenken - mit den Fortschritten der vergangenen Tage sei er nicht zufrieden: "Ich wünschte, die Einen und die Anderen würden sich zusammenreißen."

Ob die Mahnung verfängt und das nächtliche Extratreffen den Durchbruch bringt, darüber darf bis Freitagfrüh spekuliert werden. Jedenfalls zeichnet sich ab, dass der Schuldenstreit nach den jüngsten Verstimmungen wieder zur Chefsache wird. Und weil nichts unversucht bleiben soll, lud die Kanzlerin den griechischen Premier für kommenden Montag nach Berlin ein - dann zu einem Vier-Augen-Gespräch.

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