Britische Wirtschaft zu einem EU-Austritt Brexit - Chance oder Risiko?

Stand: 29.05.2015 13:52 Uhr

Je größer das Unternehmen, desto größer ist die Angst in der britischen Wirtschaft vor einem EU-Austritt. Doch es gibt auch zahlreiche prominente Kritiker, die sich von der EU nichts mehr vorschreiben lassen wollen.

Von Stephanie Pieper, ARD-Hörfunkstudio London

Nach dem überraschenden Wahlsieg der Konservativen herrschte Jubelstimmung an der Londoner Börse. Die Aktienkurse kletterten, das Pfund legte gegenüber Euro sowie Dollar zu und britische Staatsanleihen waren gefragt. Aber auch die Investoren dürften umso nervöser werden, je näher das britische EU-Referendum rückt.

Zu den bereits beunruhigten Wirtschaftsbossen gehört Mike Rake. Er ist Präsident des Industrieverbandes CBI und Verwaltungsratsvorsitzender des Telekommunikationsriesen BT. Die Briten dürften nicht vergessen: Noch profitiere das Land davon, Teil eines Marktes mit rund 500 Millionen Menschen zu sein - und Abnehmer für rund die Hälfte der britischen Exporte.

Diesen direkten Zugang will er nicht verlieren: "Immer mehr Unternehmen sagen immer lauter, wie wichtig es ist, dass Großbritannien Mitglied in einer reformierten, wettbewerbsfähigeren EU bleibt. Wir müssen den Menschen also weiter klarmachen, welche Folgen ein Austritt hätte - für die Wirtschaft, für Investitionen und für Jobs", so Rake.

Ein teurer Abschied

Ein EU-Abschied würde Großbritannien - nach verschiedenen Studien - teuer zu stehen kommen. Wie stark das künftige Wachstum beeinträchtigt wäre, hängt aber auch davon ab, welche Handelsbeziehungen London dann mit der EU hätte.

Die Aussicht auf einen Austritt treibt auch Paul Khan die Sorgenfalten auf die Stirn. Er ist Chef der britischen Airbus-Sparte, die auf der Insel Flugzeugflügel herstellt: "Wir reden hier über die Zukunft, über künftige Investitionen - und wir als Airbus brauchen wettbewerbsfähige Standorte in verschiedenen Ländern. Wäre Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU, würden wir dann unsere Investitionsentscheidungen überdenken? Ja, das würden wir."

Je größer das Unternehmen, desto größer die Angst vor dem Brexit, dem britischen EU-Ausstieg. Die Deutsche Bank, HSBC und Standard Chartered prüfen sogar bereits, London in diesem Fall zu verlassen.

Der Herr der Staubsauger will den Brexit

Von solchen Drohungen hält James Dyson nichts: Der britische Erfinder des beutellosen Staubsaugers war noch in den 1990er-Jahren dafür, den Euro auch in Großbritannien einzuführen. Doch inzwischen hat er eine Kehrtwende vollzogen und will raus aus der EU.

Er möchte weiter freien Handel treiben und hat auch nichts gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ansonsten aber möchte er sich von einer EU, in der Deutschland den Ton angebe, nichts mehr vorschreiben lassen, so Dyson. Er zielt dabei insbesondere auf seine deutsche Konkurrenz.

Unterstützung erfährt er durch Anthony Bamford, Verwaltungsratsvorsitzender des Baumaschinen-Herstellers JCB, der der EU nichts mehr abgewinnen kann: "Wir sind die fünft- oder sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt - und das bleiben wir auch. Auf jeden Fall könnten wir auch auf eigenen Füßen stehen. Wir könnten dann weltweit für Großbritannien allein Handelsabkommen aushandeln und wären nicht länger nur 1/28 der EU, so wie jetzt in Brüssel."

Streit um den Zeitpunkt für das Referendum

Uneins ist sich die britische Wirtschaft auch, was der beste Zeitpunkt für das Referendum wäre: Die eine Fraktion fordert, das Volk so schnell wie möglich entscheiden zu lassen: Im Frühjahr oder Herbst nächsten Jahres - um die Unsicherheit rasch zu beenden. Die andere Fraktion will Premierminister David Cameron mehr Zeit geben, substanzielle Reformen der EU zu erreichen. Beide Seiten wissen: Es geht um viel. Deshalb wird die Stimme der Wirtschaft bis zum Volksentscheid gewiss laut zu hören sein.

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