IMK-Chef Horn fordert höhere Löhne Deutsche Lohnentwicklung als Gefahr für Europa?

Stand: 26.11.2012 16:18 Uhr

Die Arbeit in Deutschland ist zu billig. Das nütze dem Export, schaffe aber kein nachhaltiges Wachstum, meint der Chef des gewerkschaftsnahen "Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung", Horn. Unser Reporter ließ sich von ihm erklären, in welchen Bereichen Lohnerhöhungen am dringendsten wären.

Von Michael Weidemann, ARD Berlin

Von Michael Weidemann, NDR, ARD-Hauptstadtstudio

30,10 Euro kostete 2011 eine durchschnittliche Arbeitsstunde in Deutschland. Damit lag die Belastung für hiesige Unternehmen immer noch um rund ein Viertel unter den Beträgen, die belgische, schwedische und dänische Betriebe für eine durchschnittliche Arbeitsstunde aufbringen mussten. Seit dem vergangenen Jahr steigen die deutschen Löhne zwar erstmals seit Jahren wieder kräftiger - aber immer noch nicht kräftig genug, sagt der Direktor des gewerkschaftsnahen "Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung", Gustav Horn.

Fremdwort Tariflohn

Vor allem in den Dienstleistungsbranchen gebe es erheblichen Nachholbedarf: "In Deutschland sind die Arbeitskosten im Dienstleistungssektor deutlich geringer als in der Industrie - etwa um zwanzig Prozent." Dies sei keinem anderen Land so. "Das liegt natürlich daran, dass wir im Dienstleistungssektor Bereiche haben, in denen Tariflöhne ein Fremdwort sind, und in denen Niedriglohnbeschäftigungen an der Tagesordnung sind. Das drückt den Durchschnitt dort erheblich herunter."

Außenhandelsüberschuss basiert auf Schulden

In der Industrie hätten die Löhne in Deutschland zwar deutlich stärker aufgeholt. Von einem ausgewogenen Verhältnis zu den Krisenländern Südeuropas könne aber noch lange keine Rede sein. Die heimische Kaufkraft sei immer noch eher schwach ausgeprägt. Die vergleichsweise günstigen Exportgüter dagegen sorgten unverändert für einen deutlichen Außenhandelsüberschuss in Deutschland.

Das gehe zu Lasten der Krisenstaaten in der Eurozone, mahnt Horn: "Wir haben im Moment in Deutschland kein Wettbewerbsproblem. Wir haben das Problem, dass wir zwar sehr gute Exportzahlen haben." Doch solange diese auf Pump basierten, "nämlich auf der Verschuldung der anderen, sind es keine nachhaltigen Wohlstandsgewinne. Das geht eine ganze Weile gut. Und wir wissen mittlerweile: Es geht nicht auf ewig gut, wie wir in den letzten Jahren erfahren mussten."

Denn nun müsse Deutschland auch finanziell für die wirtschaftliche Schieflage der Krisenländer aufkommen. Um die Ungleichgewichte zu korrigieren, müssten die Arbeitseinkommen mittelfristig um etwa 16 Prozent steigen, kalkuliert Horn. Davon würden auch die Alterseinkommen profitieren, die an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt sind.

Renten im Blick

Das bislang stagnierende Rentenniveau sei für die wachsende Altersarmut mit verantwortlich. Nur mit überdurchschnittlichen Tarifabschlüssen und mit der Eindämmung des Niedriglohnsektors seien beide Probleme zu lösen, folgert der IMK-Direktor: "Damit wir auf der einen Seite sowohl Stabilität im Euroraum gewinnen, als auf der anderen Seite auch bei den Renten eine Entwicklung bekommen, die das Problem der Altersarmut abschwächt."

Alle Sektoren der Wirtschaft zusammengenommen liegt Deutschland bei der Entwicklung der Arbeitskosten auf Platz sieben der europäischen Rangliste, hinter Belgien, Schweden, Dänemark, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden.

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