Das Atomkraftwerk Isar 2

Nach Medienbericht Wirtschaftsministerium weist Vorwürfe zu Atom-Aus zurück

Stand: 25.04.2024 17:22 Uhr

Laut einem Medienbericht sollen Mitarbeiter im Wirtschafts- und Umweltministerium interne Bedenken gegen das fristgerechte Atom-Aus unterdrückt haben. Das Ministerium wies die Vorwürfe zurück. Die Union beantragt eine Sondersitzung.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Bericht des Magazins "Cicero" zurückgewiesen, nach dem wichtige Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) interne Bedenken gegen den Sinn eines fristgerechten Atomausstiegs unterdrückt haben sollen. Die Darstellung des Magazins sei "verkürzt und ohne Kontext", erklärte das Ministerium. Entsprechend seien die daraus gezogenen Schlüsse "nicht zutreffend".

"Cicero" bezieht sich in seiner Berichterstattung zum Thema auf internen Schriftverkehr der beiden Ministerien. Das Magazin beruft sich dabei auf Dokumente, die es auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung übermittelt bekommen hat. Es handle sich um zwei "gut gefüllte Aktenordner". Ein "Cicero"-Journalist hatte demnach auf die Herausgabe der bis dahin unter Verschluss gehaltenen Unterlagen geklagt.

Ein Vermerksentwurf vom 3. März 2022

Dem Bericht zufolge fanden Fachleute im Bundeswirtschaftsministerium "kaum Gehör", ihre Einschätzungen seien "ignoriert oder verfälscht" worden. Demnach argumentierten Mitarbeitende von Habecks Ministerium im Entwurf eines Vermerks vom 3. März 2022, unter bestimmten Umständen könne eine begrenzte Laufzeitverlängerung der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke bis in das folgende Frühjahr sinnvoll sein. Sie rieten dazu, diese Möglichkeit weiter zu prüfen. Das Papier liegt auch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

In der Leitungsebene lag das Dokument laut Ministerium nur Staatssekretär Patrick Graichen vor, einem Parteifreund Habecks, der später nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft das Amt räumen musste - den Minister hätte es damit nicht erreicht.

Das Wirtschaftsministerium sagt dazu, das Papier sei eingeflossen in einen später veröffentlichten Prüfvermerk der Ministerien für Wirtschaft und Umwelt, in dem diese sich gegen eine Laufzeitverlängerung aussprachen - unter Verweis auf die "sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken", wie es in einer Pressemitteilung hieß.

In einem anderen Fall formulierte Graichen dem "Cicero"-Bericht zufolge einen Vermerk, in dem er für den fristgerechten Atomausstieg argumentierte und den er an Habeck weiterleitete. Dabei habe der Abteilungsleiter für Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz im Umweltministerium, Gerrit Niehaus, Bedenken bezüglich des Inhalts angemeldet.

Ministerium: "Prüfung stets ergebnisoffen und transparent"

Aus dem Ministerium heißt es, man habe sich seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob und inwiefern eine Laufzeitverlängerung der drei damals noch laufenden deutschen Atomkraftwerke die Energiesicherheit erhöhen könne. "Diese Prüfung erfolgte stets ergebnisoffen und transparent."

Zu "Nutzen, Chancen, Risiken, Hürden einer möglichen Verlängerung des Betriebs" der deutschen Atomkraftwerke sei innerhalb des Ministeriums, zwischen Ressorts und mit den Kraftwerksbetreibern schon "frühzeitig eine breite, fundierte, offene und kritische Diskussion geführt und verschiedene Argumente gehört und gewogen" worden, erklärte das Ministerium. "All diese Argumente sind in den Abwägungsprozess, die Meinungsbildung und die Ergebnisse eingeflossen."

Dabei hätten Abwägungen und Entscheidungen auf den zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen sowie "in Anbetracht der realen, sich erst im Laufe der Monate verändernden und zuspitzenden Lage" beruht. Der von "Cicero" genannte Vermerk vom 3. März etwa enthalte nur Einzelaspekte.

Union beantragt Sondersitzung

Die Union forderte von Habeck sofortige Aufklärung über die Umstände der Entscheidung des Atomausstiegs 2023. "Der alte Verdacht erhärtet sich: Beim Kernkraft-Aus wurden Parlament und Bevölkerung belogen", schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, auf der Plattform X. "Habeck sollte unverzüglich sämtliche Akten zum Aus der AKW auf den Tisch legen. Ansonsten droht ein Nachspiel."

Dem "Spiegel" sagte Frei außerdem, die Union beantrage in einem ersten Schritt eine Sondersitzung, die noch vor dem morgigen Plenum stattfinden sollte. Im Gespräch sei eventuell auch ein Untersuchungsausschuss, sollte der Grünen-Politiker die Aufklärung verweigern.

Am 15. April 2023 hatte Deutschland den Atomausstieg endgültig vollzogen und die letzten drei Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet. Der Rückbau ist eingeleitet und kann bis zu 15 Jahre dauern. Die Kraftwerke hätten ursprünglich bereits zum Jahreswechsel davor vom Netz gehen sollen, der Betrieb war aber zur Sicherung der Stromversorgung verlängert worden. Die Grünen hatten sich lange gegen einen solchen Schritt gewehrt, am Ende sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein Machtwort.

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