Nach deutsch-französischer Einigung Nachsicht mit den Defizitsündern

Stand: 18.10.2010 20:48 Uhr

Kompromiss der EU-Finanzminister: Defizitsünder sollen nur nach einer Mehrheitsentscheidung der Minister bestraft werden können. Deutschland hatte eigentlich eine automatische Bestrafung gefordert - verzichtete aber. Dass es nun jemals Sanktionen geben wird, ist unwahrscheinlich.

Deutschland und Frankreich haben den Weg für schärfere Sanktionen gegen EU-Defizitsünder freigemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy verkündeten im französischen Deauville einen Kompromiss, dessen Tragfähigkeit aber noch offen ist. Paris unterstützt die von Berlin geforderte Änderung der EU-Verträge, Berlin lenkte seinerseits beim Automatismus für Sanktionen ein.

Merkel knickt ein

Nach dem von Merkel und Sarkozy in Deauville präsentierten Paket erhalten Länder, welche gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU verstoßen, eine sechsmonatige Gnadenfrist zur Korrektur ihres Defizits, bevor Sanktionen greifen.

Deutschland und die EU-Kommission wollten Strafen ursprünglich von Anfang an. Zudem können Schuldensünder im Ministerrat auch künftig politischen Einfluss auf die Sanktionen nehmen. Dadurch wird der geplante "Automatismus" der Strafen abgeschwächt, den Berlin und Brüssel als Lehre aus der Griechenland-Krise gefordert hatten und durch den die EU-Kommission ohne Zustimmung der Mitgliedsstaaten Strafen hätte verhängen können.

Im Gegenzug unterstützte Sarkozy Merkels Forderung nach einer Änderung der geltenden EU-Verträge in zwei Punkten: Hartnäckigen Defizitsündern soll das Stimmrecht im Ministerrat entzogen werden. Außerdem soll es einen dauerhaften und "robusten" Rahmen geben, um in Zukunft ein geordnetes Krisenmanagement für Not leidende Euro-Länder zu ermöglichen. Merkel hatte zuvor ein geordnetes Insolvenzverfahren für hoch verschuldete Mitgliedsländer gefordert.

Juncker: Kompromiss schwer durchzusetzen

Der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker, zog die Tragfähigkeit des Kompromisses in Zweifel. Der Teufel stecke im Detail, sagte er nach einer mehr als zwölfstündigen Marathonsitzung der europäischen Finanzminister in Luxemburg, die parallel zum Gipfel von Deauville tagten.

Der EU-Gipfel kommende Woche soll die Defizit-Einigung grundsätzlich besiegeln. Danach muss die Reform des Stabilitätspaktes aber noch in einen Gesetzestext gegossen und formell von EU-Staaten und Europaparlament beschlossen werden.

Lange Verhandlungen stehen an

Zudem machte Juncker deutlich, dass längst nicht alle 27 Mitgliedsländer hinter einer EU-Vertragsänderung stehen, für die Einstimmigkeit nötig ist. "Mein Bedürfnis nach einer Wiederaufnahme dieser Übung ist ziemlich begrenzt", sagte Juncker. Der EU-Vertrag von Lissabon war erst vor elf Monaten nach jahrelangem Tauziehen der Mitgliedstaaten in Kraft getreten.