Interview

Interview mit Experten des ifo-Instituts "Der Sinn des Fonds erschließt sich mir nicht"

Stand: 29.06.2007 17:02 Uhr

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"Völlig zu Recht" beherrsche die Mitarbeiterbeteiligung die aktuelle Diskussion, sagt Martin Werding vom Münchener ifo-Institut, da die Einkommen dem wirtschaftlichen Aufschwung "typischerweise hinterher hinken". Im Gespräch mit tagesschau.de erläutert der Ökonom die Vor- und Nachteile der Modelle von SPD und Union.

tagesschau.de: "Soziale Kapitalpartnerschaft", wie die Union vorschlägt, oder das „Deutschlandsfonds-Modell“ der SPD - welcher ist der bessere Weg?

Martin Werding: Wichtig ist vor allem, dass Arbeitnehmer Vermögen bilden angesichts der Alterung der Gesellschaft und angesichts des Globalisierungsdrucks, durch den die Löhne sinken.

Dafür sind Vermögensanteile an der eigenen Firma nicht unbedingt immer die beste Anlageform. Eine Beteiligung an der Firma kann für die Firma positiv sein, weil die Motivation der Mitarbeiter steigt. Das ist bei dem Investivlohnmodell der Union so gut wie gewährleistet. Der Nachteil: Das ist nicht die bestmögliche Anlageform hinsichtlich Rendite und Risiko.

tagesschau.de: Was halten Sie vom Deutschlandfonds, den die SPD vorschlägt?

Wenn man stattdessen auf eine Fondslösung ausweicht, wie das von der SPD erwogen wird, mildert man zwar die Nachteile einer solchen Lösung - aber auch alle Vorteile verschwinden, und es erhebt sich überhaupt die Frage: Was braucht man am Ende mehr als eine Empfehlung des Arbeitgebers, Vermögen bilden zu wollen? Warum muss sich der Staat da engagieren, warum braucht es dafür einen speziellen Fonds, warum reichen die vorhandenen Instrumente am Kapitalmarkt nicht aus?

Die Fondslösung verzerrt den Kapitalmarkt

tagesschau.de: Also lieber das Investivlohn-Modell der Union?

Werding: Beim Investivlohn, wie die Union ihn vorschlägt, kann man verstehen, was ein solches Instrument bewirkt, im Guten wie im Schlechten. Sinn und Zweck des Deutschlandfonds hingegen erschließen sich mir nicht. Warum empfiehlt man nicht den Arbeitnehmern, einen Dax-Fonds oder meinetwegen auch andere Fonds-Gesellschaften zu wählen, die speziell in Deutschland investieren?

Der Deutschlandfonds birgt eine große Gefahr wegen seiner Eigenarten, nur in deutsche Unternehmen anzulegen, und wegen seiner politischen Aufhängung: Marode Unternehmen, von denen sich Anleger eigentlich zurückziehen würden, könnten mit durchgezogen werden. Die Gefahr wächst, dass hier ganz normale Entwicklungen verzerrt werden, die der Kapitalmarkt nimmt.

tagesschau.de: Die Diskussion um Mitarbeiter-Beteiligungsmodelle gibt es in Deutschland seit den fünfziger Jahren. Während sie im Ausland aber teils schon umgesetzt sind, gibt es sie hierzulande noch immer so gut wie gar nicht. Woran liegt das?

Werding: Ein Grund ist, dass man hierzulande eine andere Form der Mitspracherechte von Arbeitnehmern gewählt hat. Der rheinische Kapitalismus hat eher auf Mitbestimmung denn auf Beteiligung der Arbeitnehmer gesetzt.
Außerdem haben die Gewerkschaften bislang immer mit Bauchschmerzen auf Beteiligungsmodelle geschaut, weil sie gesagt haben: Wir verhandeln über eine klare Größe, nämlich den Lohn der Arbeitnehmer. In dem Maße, wie wir die Arbeitnehmer zu Beteiligten, zu Miteigentümern der Unternehmen machen, verwässern wir die Rolle des Lohnes und weichen dem Interessenkonflikt aus, der eigentlich Gegenstand unserer Arbeit ist.

„Die ökonomische Großwetterlage hat sich geändert“

tagesschau.de: Warum scheint die Mitarbeiterbeteiligung nun doch möglich?

Werding: Die Diskussion über Mitarbeiterbeteiligung kommt in gewissen Zyklen immer wieder hoch. Das hat erstens eine konjunkturelle Komponente: Im Moment befinden wir uns in einem wirtschaftlichen Aufschwung, der zunächst die Kapitaleinkommen beflügelt, während die Arbeitnehmereinkommen typischerweise immer ein wenig hinterher hinken. Ein schneller Weg, diese Lücke zu schließen, ist eine Beteiligung an den Gewinnen.

Auf der anderen Seite hat sich auch die ökonomische Großwetterlage geändert. Die Gesellschaft altert, und Eigenvorsorge wird immer wichtiger, weil der Sozialstaat auf Dauer nicht so leistungsfähig sein wird wie in der Vergangenheit. Auch die Globalisierung spielt eine Rolle, weil sie eine schleppende Lohnentwicklung in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren in Deutschland provoziert hat. Das trägt dazu bei, dass der Wunsch nach mehr Vermögensbildung bei Arbeitnehmern wächst – völlig zu Recht.

Die Fragen stellte Nicole Diekmann, tagesschau.de.