Interview zum Verkauf von Chrysler "Die Scheidung ist die Notbremse"
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DaimlerChrysler ist Geschichte. Milliarden wurden in den Sand gesetzt, dennoch überwiegt am Ende dieser Ehe die Erleichterung. "Daimler hat die Notbremse gezogen", sagt Management-Experte Jürgen Weigand von der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar. Im tagesschau.de-Interview bezweifelt er allerdings, dass Daimler allein überlebensfähig sein wird.
tagesschau.de: Neun Jahre nach der spektakulären "Hochzeit im Himmel" die Scheidung. Was ist schief gegangen?
Jürgen Weigand: Das ist wie in jeder gescheiterten Ehe: Wenn die Partner von Anfang an nicht so richtig zusammen passen, stellt sich mittelfristig heraus, dass es halt nicht funktioniert. Die Strategie des damaligen Konzernchefs Jürgen Schrempp sah ja erst ganz gut aus: In der Automobilindustrie ist Größe entscheidend - und was kann man da besseres machen, als sich in Nordamerika einzukaufen? Nur es wurde halt nicht vorausgesehen, dass die US-Automobilhersteller enorm belastet sind durch Verpflichtungen für Pensionen und Gesundheitsfürsorge. Und die Gewerkschaften sind stark in der amerikanischen Automobilindustrie. Da ist es schwierig, Kürzungen durchzusetzen. Wenn dann die Strategie nicht den Erfolg zeitigt, den man sich erwartet hat, dann ist es für beide Seiten besser, sich zu trennen. Hinzu kamen hausgemachte Fehler auf beiden Seiten, die in die Ehe mit reingetragen wurden. Zum Beispiel auch in der Modellpolitik – das war ja nicht gerade das, was die Käufer überzeugt hat.
Scheidung als Notbremse
tagesschau.de: Ist die Trennung also ein Befreiungsschlag für Daimler?
Weigand: Die Scheidung ist die Notbremse, der einzige richtige Schritt. Daimler mit Chrysler - das hätte auch weiterhin nicht funktioniert. Es wären einfach zu viel Managementkapazitäten aufgebraucht worden, um diese nicht funktionierende Ehe doch noch in Balance zu halten. Und lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
tagesschau.de: Daimler und Chrysler sind sehr verschieden, Mercedes steht für Qualität und Luxus, Chrysler baut große Autos für die Massen. Konnte das überhaupt gut gehen?
Weigand: Es ist ja strategisch grundsätzlich nicht verkehrt, auf Komplementarität zu setzen. Und das Ziel von Daimler war ja damals gerade, Masse zu generieren, ein breiteres Spektrum an Marktsegmenten abzudecken. Das war unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung sicherlich vernünftig. Und es ist ja nicht von vornherein unmöglich: Toyota ist zum Beispiel in beiden Bereichen höchst erfolgreich. Die bedienen den Massenmarkt und mit Lexus den Premiummarkt. Dass man sich immer nur auf seine absoluten Kernkompetenzen fokussieren sollte, das ist eine Managementmode. Wenn DaimlerChrysler funktioniert hätte, hätte jeder gesagt: Was für eine tolle Globalisierungsstrategie!
Übernahmekandidat Daimler?
tagesschau.de: Aber kann Daimler denn ohne Chrysler?
Weigand: Das ist ein interessanter Punkt. Ohne Chrysler sicherlich, aber ohne Größe eher nicht. Die generelle Frage, die man sich in der Automobilbranche derzeit stellt, lautet: Wie groß muss ein Unternehmen sein, um langfristig im globalen Wettbewerb zu überleben? Ich glaube, dass Daimler so nicht überlebensfähig sein wird, sondern zum Übernahmekandidat wird. Denn intern gibt es nach wie vor Ineffizienzen, und da gucken die Finanzinvestoren natürlich gern drauf. Es ist viel vagabundierendes Kapital unterwegs, große Private-Equity-Firmen auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten. Im Automobilbereich wird es unter dem Druck der Globalisierung noch mehr Konsolidierung geben.
tagesschau.de: Welcher Zukunft geht Daimler entgegen?
Weigand: Daimler muss sich jetzt nach der Notbremsung neu ausrichten. Will sich der Konzern auf das Premiumsegment konzentrieren? Wie kann man doch noch Masse erreichen? Bei der Hybridtechnologie zum Beispiel muss der Konzern aufholen, um gegenüber Toyota Boden gut zu machen. Denn die Japaner werden durchaus auch in dem Preissegment, in dem Daimler zu Hause ist, zur Alternative für die Käufer.
"Nicht dem Größenwahn verfallen"
tagesschau.de: Was bedeutet der Chrysler-Misserfolg für Konzernchef Dieter Zetsche, der selbst als Sanierer bei Chrysler war?
Weigand: Zetsche geht strategisch logisch und konsequent vor. Er hat bei Chrysler gute Arbeit geleistet. Im Management darf man aber nicht dem Größenwahn verfallen. Er musste einfach feststellen, dass die Strategie nicht aufgegangen ist. Und dann muss man auch als Topmanager den Mut haben zu sagen: Leute, jetzt ist Schluss, jetzt muss man was anders machen. Ich würde ihm das nicht als Niederlage auslegen.
Das Interview führte Claudia Witte, tagesschau.de